Ger­hard Mad­aus: Lehr­buch der bio­lo­gi­schen Heil­mit­tel. Ver­lag Georg Thie­me, Leip­zig, 1938
(Ori­gi­nal, voll­stän­dig erhal­ten) – bei eBay zu ver­kau­fenRezen­si­on 1938, Archiv der Pharmazie

Aesculus hippocastanum – Seite 3 von 4 – Monographie Madaus

Lehr­buch der bio­lo­gi­schen Heilmittel
Mono­gra­phie Aes­cu­lus hip­po­casta­num (Sei­te 3 von 4)
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Wirkung

Loni­ce­rus1 hält Eß- und Roß­kas­ta­ni­en bezüg­lich ihrer Wir­kung nicht aus­ein­an­der (vgl. daher bei Casta­nea vesca).
Mat­thio­lus2 weiß von der Roß­kas­ta­nie nur zu berich­ten, daß ihre Früch­te “den kei­chen­den Ros­sen sehr behülf­f­lich” seien.
Die Kas­ta­ni­en­rin­de wur­de nach v. Hal­ler3 in der Armen­pra­xis als Ersatz der Chi­na­rin­de gegen “kal­te Fie­ber”, außer­dem als Schnupf­ta­bak zur Stär­kung der Augen und gegen Lid­zu­cken verwandt.
Auch Hufe­land4 rühmt die Rin­de, noch mehr aber die Früch­te, als “selbst die Chi­na über­tref­fen­des Mit­tel” bei asthe­ni­schen Hämor­rha­gien, ins­be­son­de­re des Ute­rus und der Hämor­rhoi­den, bei chro­ni­schen Diar­rhö­en, Flu­or albus, bei Schleim­hus­ten und pitui­tö­ser Phthisis.
Hecker5 stellt die Kas­ta­ni­en­rin­de hin­sicht­lich ihrer Wir­kung bei Wech­sel­fie­ber neben die Weidenrinde.
Ste­phen­son und Chur­chill6 hal­ten dage­gen noch eine Nach­prü­fung der Wir­kung gegen Inter­mit­tens für nötig, außer­dem emp­feh­len sie das Dekokt der Rin­de zu Waschun­gen bei Gangrän.
Als Schnupf­mit­tel bei Migrä­ne wird Kas­ta­ni­en­pul­ver von Osi­an­der7 aufgeführt.
Cla­rus8 ver­ord­net die Rin­de als Adstringens.
Von dem aus der Rin­de her­ge­stell­ten Aes­cu­lin wur­de bei Sumpf­wech­sel­fie­ber9 und inter­mit­tie­ren­den Neur­al­gi­en10 erfolg­reich Gebrauch gemacht (z. B. wur­den von 28 Wech­sel­fie­ber-Pati­en­ten 18 durch Gaben von 2 g Aes­cu­lin in Zucker­was­ser, auf zwei­mal genom­men, geheilt).
Das äthe­ri­sche Öl aus den Früch­ten rühm­ten Gene­vo­in und Masson11 als Top­ikum bei Gicht und Rheumatismus.
de Vevey12 stell­te fest, daß die Roß­kas­ta­nie bei der Behand­lung von Hämor­rhoi­den und Krampf­adern gute Wir­kung ent­fal­te. Durch eine spe­zi­fi­sche Wir­kung auf die Gefäß­wan­dun­gen kom­me es zur Schrump­fung der Kno­ten. Er führt die­se Wir­kung auf das anäs­the­sie­rend wir­ken­de sapo­nin­ar­ti­ge Argy­rin zurück. Er sah mit Aes­cu­lus auch güns­ti­ge Resul­ta­te bei der Häm­op­ty­se, die von Tra­che­ava­ri­zen her­rühr­te oder von der pas­si­ven Kon­ges­ti­on mit Milz­stau­ung. Die­se Wir­kung könn­te nach ihm eben­so durch eine Beein­flus­sung der Gefäß­wan­dun­gen wie auch durch einen hämo­ly­sie­ren­den Sapo­nin­ef­fekt bedingt sein, wel­cher die Vis­ko­si­tät des venö­sen Blu­tes her­ab­setz­te und den Kreis­lauf erleichterte.
Leclerc13 sah auch bei Pro­sta­ta­hy­per­tro­phie gute Wirkung.
In neue­rer Zeit hat sich Bohn14 mit den Heil­kräf­ten der Kas­ta­nie befaßt, der sie als ein Heil­mit­tel bei katarr­ha­li­scher Ver­an­la­gung bezeichnet.
Die Volks­me­di­zin bedient sich der Roß­kas­ta­ni­en gegen Hämor­rhoi­dal- und Ute­rus­blu­tun­gen, chro­ni­schen Darm­ka­tarrh und chro­ni­sche Bron­chi­tis15, sowie gegen Rheu­ma­tis­mus16. In der let­ti­schen Volks­me­di­zin wer­den getrock­ne­te Kas­ta­ni­en­blü­ten mit Spi­ri­tus extra­hiert gegen Kno­chen­schmer­zen gebraucht17.
Hah­ne­mann18 ver­ord­ne­te Aes­cu­lus bei spas­ti­scher Eng­brüs­tig­keit. Hämor­rhoi­den, Nasen­ra­chen­ka­tarrh, gich­t­isch-rheu­ma­ti­sche Lei­den und inter­kur­ren­te Angi­nen lue­ti­scher Natur19 zäh­len zu den wich­tigs­ten Indi­ka­tio­nen der homöo­pa­thi­schen Schule.
Die Samen ent­hal­ten als vor­wie­gend wirk­sa­me Bestand­tei­le u. a. Fuer­ci­trin20, ein gly­ko­si­di­sches Sapo­nin (etwa 10%)21, einen Bit­ter­stoff, der in sapo­nin­ar­ti­ges Argy­re­net­in (Argy­rin) und Glu­ko­se auf­ge­spal­ten wird, und Spu­ren von Aes­cu­lin22, die Samen­scha­le kris­tal­li­sier­tes Tan­nin23 und das Enzym Aes­cu­li­na­se24, die Rin­de die Gly­ko­si­de Aes­cu­lin25 (das selbst in mil­lio­nen­fa­cher Ver­dün­nung noch blau fluo­res­ziert)26 und Fra­xin27, Gerb­säu­re28, Gerb­stoff (1,87%)29 und Allan­to­in30.
Die­ses Allan­to­in erhöht die Mus­kel­er­reg­bar­keit und wirkt xan­thin­ähn­lich31.
Der Gehalt an Aes­cu­lin (das in allen Tei­len des Bau­mes nach­ge­wie­sen wur­de, am meis­ten in der Rin­de und in den Knos­pen­schup­pen) steigt mit dem Alter des Bau­mes32.
Nach Pei­pers33 Erfah­run­gen ver­hin­dert die Rin­de die Fäul­nis und Zer­set­zung orga­ni­scher Stof­fe in star­kem Maße.

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Litau­en: Die Rin­de gegen Dys­en­te­rie, die Frucht­scha­len gegen Mala­ria, die Blü­ten­tink­tur äußer­lich gegen Rheumatismus.
Polen: Die Rin­de und Blü­ten gegen Hämor­rhoi­den und Uterusblutungen.
Tsche­cho­slo­wa­kei: Die gerie­be­nen Früch­te kocht man gegen Magen­schmer­zen (1). Gegen Diar­rhöe trinkt man die als Kaf­fee zube­rei­te­ten Früch­te (Mäh­ren) (2). Die Blü­ten in Alko­hol ange­setzt, geben uns Trop­fen, die man stel­len­wei­se in č.-Schlesien gegen Magen­krämp­fe und Ohn­macht ver­wen­det (3, 4). Die Rin­de ist als ein Fie­ber­mit­tel und als Medi­zin gegen Magen­krank­hei­ten bekannt (5).
Lite­ra­tur: (1) Koš­tál, 1901, 301; (2) Mor. Slov. II, III, 761; (3) Krčmář, Ros. Chmel. 1904, 133; (4) Svěrák, Věst­ník Mati­ce Opavs­ké 1901, č. 9, 22; (5) Polív­ka, Kvě­te­na II. 306.

Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung verschiedener Heilpflanzen bei