Kantharide

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Kant­ha­ri­de, Lyt­ta vesi­ca­to­ria, Gm. [Dege­er, Ins. 1. Tab. 6. Fig. 5.] ein bekann­tes gold­grü­nes Insekt mit schwar­zen Fühl­hör­nern, im Juny und July auf den Eschen­bäu­men, den ver­schied­nen Arten Lil­ak, dem Speck­lil­gen­zäun­ling, dem Hunds­kirsch­zäun­ling, dem Rain­wei­de­hart­rie­gel u.s.w. zuwei­len in gro­ßer Men­ge bei uns anzu­tref­fen, von denen man sie erhält, wenn man sie bei kal­tem, trü­bem Wet­ter oder vor Son­nen­auf­gang auf unter­ge­brei­te­te Tücher schüt­telt, glä­ser­ne Fla­schen damit bis oben anfüllt, und die­se bis zu ihrer Ertöd­tung (denn ohne erneu­er­te Luft kön­nen sie nicht leben) fest ver­stopft, die also get­öd­te­ten Kant­ha­ri­den aber auf Sie­ben im schat­ti­gen Luft­zu­ge bei hei­te­rer Wit­te­rung völ­lig trock­net und dann in wohl erwärm­ten, ver­stopf­ten Fla­schen unge­pül­vert auf­hebt. Sonst ver­zehrt sie der Ptin­us Fur, L.

Alle and­re Arten sie zu töd­ten und zu dör­ren, ver­min­dern ihre Kräf­te, oder sind umständlicher.

Die Kant­ha­ri­den (spa­ni­sche Flie­gen, Cant­ha­ri­des), haben einen süß­licht­ekel­haf­ten, betäu­ben­den Geruch, und einen anfäng­lich unmerk­li­chen, nach­ge­hen­des aber fres­sen­den Geschmack.

Nicht Was­ser, son­dern Wein­geist zieht die bei­zen­de Schär­fe aus (die Kantharidentinktur).

Ihre all­ge­mei­ne Wir­kung, wenn sie ent­we­der in Pul­ver (auf Pflas­tern und in Sal­ben) oder als Auf­lö­sung auf­ge­legt oder ein­ge­rie­ben wer­den, ist, die Haupt zu ent­zün­den, die Ober­haut zu einer mit Serum ange­füll­ten Bla­se zu erhe­ben, und wenn ihre Anwen­dung län­ger, vor­züg­lich auf haut­lo­sen Stel­len fort­dau­ert, einen Reiz, auch wohl Ent­zün­dung im Bla­sen­hal­se, und Harn­zwang zu erre­gen. Letz­te­re Wir­kung bringt vor­züg­lich der inne­re Gebrauch der Kant­ha­ri-den in jeder Form her­vor, der deß­halb nur geprüf­ten Aerz­ten erlaubt wer­den soll­te, da bei Unvor­sich­tig­keit nicht sel­ten Blut­har­nen, die hef­tigs­ten Ent­zün­dun­gen der Bla­se und der nahen Thei­le, ja selbst der Tod erfolgt ist.

Die gebräuch­lichs­te Anwen­dung ist das Kant­ha­ri-den­pflas­ter (spa­ni­sche Flie­gen­pflas­ter, Bla­sen­pflas­ter, empl. vesi­ca­to­ri­um), zu des­sen Ver­fer­ti­gung das Kan-tha­ri­den­pul­ver am bes­ten nur oben auf irgend ein kle­ben­des Pflas­ter gestreut wird.

Zu glei­chem Behu­fe reibt man auch die Kant­ha­ri-den­tink­tur zuwei­len ein. Die Anwen­dung des Kan­tha-riden­pflas­ters ist, die betäub­te Emp­fin­dung und Reiz­bar­keit zu erwe­cken, eine nahe Ent­zün­dung und Schmerz durch stär­kern Reiz zu über­stim­men, künst­li­che Geschwü­re zu erre­gen u.s.w.

Die inner­li­che Anwen­dung des Kant­ha­ri­den­pul­vers und der Tink­tur in der Was­ser­sucht, gegen Harn­ruhr, im Nach­trip­per von ört­li­cher Indo­lenz, in Läh­mung des Bla­sen­hal­ses, gegen Haut­krank­hei­ten u.s.w. erfor­dert die äußers­te Behut­sam­keit, und kri­mi­nell ist ihr Miß­brauch zur Rei­zung der Geschlechtstheile.

Bei Dis­pen­sa­ti­on des Pul­vers u. der Tink­tur ver­fährt der Apo­the­ker am bes­ten nach dem Arti­kel Gift, w.s., und eben­da­selbst sind die beym Pül­vern anzu­wen­den­de Vor­sichts­re­geln erwähnt.

Die Ver­gif­tung damit wird am bes­ten durch (Brech­mit­tel), häu­fi­ge schlei­mi­ge und öli­ge Geträn­ke, ähn­li­che Klys­ti­e­re, laue Bäder und gro­ße Gaben Kam­pher gehoben.