Amber, grauer

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Amber, grau­er. Die­se Sub­stanz besteht aus klei­nen, sehr leich­ten, uneb­nen, undurch­sich­ti­gen Mas­sen, wel­che äus­ser­lich von mehr oder weni­ger grau­er Far­be, inwen­dig mit gelb­li­chen, rothen oder schwärz­li­chen Strei­fen, und mit ein­ge­spreng­ten weiß­li­chen, sehr geruch­vol­len Punk­ten durch­webt sind. Er läßt sich leicht zer­brö­ckeln, ist etwas fett anzu­füh­len, hat kei­nen auf­fal­len­den Geschmack, aber einen fei­nen, höchst lieb­li­chen, doch schwa­chen Geruch, wel­cher sich nur erst dann stär­ker ent­wi­ckelt, wenn er mit andern rie­chen­den Sub­stan­zen zusam­men gerie­ben wird; denn vor sich läßt er sich nicht fein pülvern.

Der mit einer schwar­zen Rin­de äus­ser­lich umgeb­ne ist zuwei­len von glei­cher Güte, wenn sei­ne inne­re Beschaf­fen­heit nur der beschrieb­nen gleich ist. Man fin­det in gro­ßern Mas­sen nicht sel­ten Stü­cken vom Kie­fer des eßba­ren Din­ten­fi­sches (sepia octo­po­dia L.), auch schwar­ze glän­zen­de Muschel­scha­len u.s.w.

Zwi­schen den Hän­den wird er weich, und läßt sich dann wie Wachs zusam­men­bal­len. Er schwimmt in den kleins­ten Theil­chen, so wie in grö­ßern Stü­cken auf dem Was­ser, zer­fließt als ein Oel, wenn das Was­ser kocht, bläht sich auf einem glü­hen­den Ble­che unge­mein auf, und dampft unter einem asch­grau­en Rau­che und einem lieb­li­chen, bern­stein­ähn­li­chen Geru­che gänz­lich hin­weg; ans Licht gehal­ten, faßt er geschwind Feu­er, und brennt mit hel­ler Flam­me. Dem kochen­den Was­ser theilt er sei­nen Geruch mit, läßt sich aber nicht auf­lö­sen, eben so wenig als vom Wein­geis­te, außer wenn er mit Wein­st­ein­sal­ze geschärft ist. Sein eigent­li­ches Auf­lö­sungs­mit­tel ist der Vitriol­äther, wel­cher nach San­de aus 24 Thei­len 17 Thei­le in sich auf­nimmt; die übri­gen 7 Thei­le sind ein schwar­zes pech­ar­ti­ges Oel, ohne Geruch und Geschmack. Eben dieß thut in der Diges­ti­on ein Gemisch aus vier Thei­len Wein­geist und Einem Thei­le star­ker Vitri­ol­säu­re. Der Amber schei­det sich gro-ßent­heils wie­der aus dem Aether ab, wenn man Wein­geist hin­zu­gießt, in Gestalt einer wei­ßen (wachs­ähn­li­chen?) Mate­rie, wel­che leicht schmilzt, und in der Hit­ze ohne Wohl­ge­ruch verdampft.

Von aus­ge­preß­ten Oelen wird fast nichts, von äthe­ri­schen aber ein gro­ßer Theil aufgelöst.

In der trock­nen Destil­la­ti­on erhält man eine dem Bern­st­ein­sal­ze nach Grimm sehr ähn­li­che trock­ne Säu­re, ein sau­res Was­ser, und ein fei­nes gel­bes nach und nach bräu­ner über­ge­hen­des Oel.

Die­se Kenn­zei­chen sind hin­rei­chend, sei­ne Güte aus­zu­for­schen; man setzt aber noch, als eine Pro­be im Klei­nen, hin­zu, daß, wenn man mit einer glü­hen­den Nadel hin­ein­ste­che, zwar nichts an der­sel­ben hän­gen blei­be, aber ein wohl­rie­chen­des Oel aus der Oef­nung dringe.

Man fin­det ihn gewöhn­lich nach gro­ßen Stür­men auf dem Mee­re an den Gesta­den schwim­men, fast rings um Afri­ka und dem india­ni­schen Mee­re her­um, man liest ihn auch aus dem San­de des Stran­des und von den Fel­sen ab, wo ihn der Oze­an hin­ge­spült hat. An der Küs­te von Mada­gas­kar und Suma­tra wird er von der bes­ten Art gefun­den, und daselbst porab­argenannt; dann auch an ver­schied­nen japa­ni­schen Küs­ten, den molu­cki­schen Inseln, den Küs­ten von Ae-thio­pi­en, zwi­schen Sol­fa­la und Bra­ma, vor­züg­lich aber zwi­schen Mosam­bik bis an das rothe Meer, auf der Mari­en­in­sel, an der Insel Die­go-Ruis, der Moritz­in­sel, an den mal­di­vi­schen Inseln, an den Küs­ten jen-seit des Vor­ge­birgs der guten Hof­nung. Auch an den Küs­ten der ber­mu­di­schen Inseln, den Küs­ten von Jamai­ka, Karo­li­na, Flo­ri­da, Taba­go, Bar­ba­dos u.s.w. auch an ver­schied­nen rus­si­schen und euro­päi­schen Küs­ten, wie­wohl selten.

Ob er thie­r­i­schen, mine­ra­li­schen, oder wohl gar gewächs­ar­ti­gen Ursprungs sey, das ist, ob er im Pott­fisch erzeugt, ob er aus den Erd­schich­ten der Küs­ten nur los­ge­ris­sen wer­de, oder ob er das ins Meer gespül­te Harz der Amy­ris ambro­sia­ca L. sey, hat man noch nicht ent­schie­den, obgleich sein mine­ra­li­scher Ursprung immer noch der wahr­schein­lichs­te ist.

Der glat­te, ebe­ne, ein­fär­bi­ge, ganz wei­ße oder ganz schwar­ze Amber von unge­wöhn­li­chem Geru­che taugt nicht viel. Von letz­te­rer Art ist gewöhn­lich der ambre rénar­de, (in Mada­gas­kar Mina­ha­ry genannt,) aus den Gedär­men des Pott­fi­sches (phy­se­ter macro­ce­pha­lus L.) genom­men, wel­cher den Amber vor­züg­lich gern zu ver­schlin­gen scheint.

Die Ver­fäl­schung des Ambers mit Meh­le von Reis­hül­sen wird leicht von Wür­mern durch­sto­chen, und ist hier­an kennt­lich. And­re Ver­fäl­schun­gen las­sen viel Koh­le beim Ver­bren­nen, und die­se nach der Ein­äsche­rung eine Kalk­er­de zurück.

Das äus­se­re Ansehn, der inne­re Bruch, der Geruch, die Leich­tig­keit, die locke­re Kon­sis­tenz des äch­ten Ambras, sei­ne Unauf­lös­bar­keit in Wein­geist, sei­ne Leicht­auf­lös­lich­keit in Aether, sein Auf­blä­hen und fast gänz­li­ches Ver­flie­gen auf einem hei­ßen Ble­che unter dem bekann­ten Wohl­ge­ru­che, und sein ölar­ti­ges Zer­flie­ßen auf kochen­dem Was­ser wer­den ihn von allen Nach­küns­te­lei­en hin­rei­chend unter­schei­den, selbst von allen Zumi­schun­gen und Ver­fäl­schun­gen mit Sto­rax, Ben­zoe, Lada­num, Pech, Wachs, Harz u.d. gl.

Der Ambra läßt sei­nen schwa­chen Geruch durch Zumi­schung and­rer, vor­züg­lich riech­ba­rer Din­ge, und durch sei­ne Auf­lö­sung unge­mein erhö­hen, eine Eigen­schaft, wel­che die Par­fü­mirer, wel­che ihn am häu­figs­ten (zu wohl­rie­chen­den Poma­den, Haar­pu­der, Riech­was­sern, in Schmin­ken u.s.w.) brau­chen, wohl zu nut­zen wissen.

Ambra ist fast für jeder­mann das ange­nehms­te Räu­cher­werk, und eins der bes­ten anal­ep­ti­schen, herz­stär­ken­den und Lebens­geist ermun­tern­den Mit­tel, doch nur in grö­ßern Gaben als man sonst gab. Erst bei drei­sig Gran erscheint nach Bos­well eine ange­nehm reit­zen­de Wir­kung auf die Ner­ven und Blut­ge-fäse; in Auf­lö­sung ver­muth­lich schon bei klei­nern Gaben. Es las­sen sich krampf­stil­len­de und beru­hi­gen­de Kräf­te von ihm erwar­ten. Was er in Unver­mö­gen­heit, Unfrucht­bar­keit, Hys­te­rie und Schlag­flüs­sen ver­mag, muß aus­ser dem, was die Alten dar­über gesagt, noch durch nähe­re Erfah­rung bestä­tigt wer­den. In der Cho­ko­la­de macht er aus­ser der Vanil­le das vor­züg­lichs­te Gewürz aus.

Deutsch­land wird größ­tent­heils von den Hol­län­dern mit Ambra ver­sorgt, wo der bes­te zu 28 Gul­den die Unze gewöhn­lich bezahlt wird; der schlech­te­re fällt bis zu 18 Gul­den. Den bes­ten, wel­chen die Por­tu­gie­sen von Mosam­bik in Afri­ka, eigent­lich aber von Melin­de bei der Mün­dung des Flus­ses Rio Seno zie­hen, bekom­men wir gar nicht.

Man bewahrt ihn, nicht wie in alten Zei­ten aus Wahne geschah, in blei­er­nen oder zin­ner­nen Büch­sen, son­dern in wohl­ver­stopf­ten glä­ser­nen Flaschen.