Aloe

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Aloe, ist jener bekann­te, star­krie­chen­de, höchst­bitt­re gum­mi­har­zi­ge ver­dick­te Pur­gir­saft aus den Blät­tern ver­schied­ner Aloe­ar­ten und Abän­de­run­gen, wel­che in den heis­ses­ten Gegen­den von Asi­en, Afri­ka und Ame­ri­ka wach­sen. Man theilt sie gewöhn­lich in drei Sor­ten, in die Suko­t­ri­naloe, die Leberaloe und die Roß­aloe; wie­wohl man im Han­del weit meh­re­re Sor­ten von ver­schied­ner Güte hat.

Die hel­le Aloe scheint blos die bes­te von der ers­ten Sor­te andeu­ten zu sol­len; die blo­se Durch­sich­tig­keit aber bestimmt nicht allein die Güte, da man von der stinkends­ten Sor­te auch hel­le Stü­cke auf­zu­wei­sen hat.

Die Suko­t­ri­naloe hat ihren Namen von der Insel Suko­ta­ra, nicht weit von Java, an der Küs­te des glück­se­li­gen Ara­bi­ens, wo man die Pflan­ze dazu, wel­che Lin­né für Aloe pe rfo lia­ta Var.β. hält, [und die bei Pluk. alm. 19. Tab. 240. Fig. 4. abge­bil­det ist, ] in Men­ge bauet.

Die bes­te ist durch­schim­mernd roth, wie Spieß­glanz­glas, oder wenigs­tens nur roth­bräun­lich; sie ist leicht, glän­zend, von einem nicht unan­ge­nehm aro­ma­ti­schen, der Myr­rhe ähneln­den Geru­che. Das Haupt­kenn­zei­chen ihrer Güte ist, daß sie sich gänz­lich, ohne Ueber­rest, in Wein­geist auf­lö­set. Auch in kal­tem Was­ser zer­geht sie fast gänz­lich, und bil­det ein trü­bes Gemisch damit, wie hefi­ges Bier. Ihr Pul­ver ist gold­gelb. Sie kömmt gewöhn­lich in Kürbisschalen.

Ver­muth­lich aber bekom­men wir unter glei­chem Namen, durch die Hol­län­der auch wel­che vom Vor­ge­bir­ge der guten Hof­nung, wo sie, soviel man weiß, aus den Blät­tern der Aloe spi­ca­ta Thunb. der­ge­stalt gewon­nen wird, daß man die frisch abge­schnit­te­nen Blät­ter in einem Fas­se senk­recht auf ein and­res unten lie­gen­des gro­ßes Aloe­blatt auf­stellt, und so den Saft, wel­cher unter der Scha­le der Blät­ter her­vor­quillt, von selbst ohne mit den Hän­den zu drü­cken, aus­tröp­feln, und dann blos an der Son­ne in fla­chen Gefä­sen von selbst ein­trock­nen läßt.

Auf Bar­ba­dos und Jamai­ka macht man zwar eine ähn­li­che gute Sor­te aus den Blät­tern der bit­ters­ten Aloe­art, der Aloe elon­ga­ta Murr. [Com­ment soc. Goet­ting.1788. Tab. 2.] auf ähn­li­che Wei­se; man ist aber daselbst genö­thigt, die Blät­ter in klei­ne­re Stü­cken zu zer­schnei­den, und sie mit den Hän­den zu drü­cken, wenn sie ihren Saft gehö­rig von sich geben sollen.

Die Leberaloe, als die gemeins­te, wird von ver­schie­de­nen Abän­de­run­gen der Aloe per­fo­li­a­ta(Lin­né meint, größ­tent­heils von Var. α. [Rheed. malah. 11. p.7T. 3.]) gewon­nen, sowohl auf dem Kap, als in Bar­ba­dos und Jamai­ka, von woher wir die meis­te erhal­ten, in Mas­sen zu 1 bis 20 Pfund, da hin­ge­gen die Bewoh­ner vom Vor­ge­bir­ge der guten Hof­nung Mas­sen zu drei und meh­rern Zent­nern dar­aus bil­den. Der Saft zu die­ser Sor­te wird in Kes­seln über dem Feu­er ein­ge­dickt. Am bes­ten löset sie sich in ver­süß­tem Sal­pe­ter­geis­te und in Brannt­wein auf. Wein­geist oder Was­ser allein las­sen viel unauf­ge­lö­set am Boden des Gefä­ses zurück. Ihr Geruch ist safran­ar­tig, bit­ter, wid­rig. Sie ist braun, undurch­sich­ti­ger, von stär­ke­rem, unan­ge­neh­me­ren Geru­che, bit­te­rem Geschma­cke, trock­ner und schwe­rer als die ers­te Sor­te, etwas glän­zend, bricht in ebe­ne Stü­cken, und gie­bt ein roth­gel­bes Pulver.

Eine schlech­te­re Sor­te, wel­che oft weich und kleb-richt ist, bekömmt man in Kis­ten von Bar­ba­dos; sie riecht übel und bränzlicht.

Die Roß­aloe, wel­che fast nur in der Vieh­arz­nei gebraucht wird, soll nach Lin­né von Aloe per­fo­li­a­ta Var. γ. kom­men. Ob und wie sie ein­ge­kocht wer­de, oder ob sie nur den Boden­satz von der an der Son­ne ein­ge­trock­ne­ten Sor­te aus­ma­che, ist uns unbe­kannt. Sie riecht unter den Aloe­sor­ten am stärks­ten und stinkends­ten, ich schwärz­lich, wie Pech, hat rost­farb­ne Fle­cken und klei­ne Höh­lun­gen auf ihrer Ober­flä­che, und Koh­len, Stroh, Holz­split­ter, Sand und Scha­len in ihren unrei­nen Mischung.

Die Aloe ist ein sehr gebräuch­li­ches, erhit­zen­des, Leib eröf­nen­des Mit­tel. Man weiß noch nicht, wel­che Ver­schie­den­heit zwi­schen der Suko­t­ri­naloe und der Leberaloe in Absicht auf ihre Wir­kun­gen statt fin­de, oder ob über­haupt die Kraft der erstern vor­züg­li­cher als die der letz­tern sey. Ers­te­re nimmt man am liebs­ten zu Tink­tu­ren, letz­te­re am liebs­ten, wenn sie in trock­ner Form ver­ord­net wird. Sie bringt fast nie mehr als Einen Stuhl­gang zuwe­ge, man mag sie zu ein bis zwey, oder zu zwan­zig Gra­nen geben; ist die Gabe grö­ßer, so pur­girt sie, aber mit Knei­pen in den Gedär­men. Immer ist ihre Wir­kung, so gewiß sie auch ist, doch nur lang­sam, und erfolgt sel­ten unter zehn bis zwölf Stun­den. Sie macht durch ihren vor­züg­lich auf den Mast­darm gehen­den Reitz eine ört­li­che Voll­blü­tig­keit in der Unter­bauch­ge­gend, und bringt daher oft die Gold­ader und eine stär­ke­re Aus­lee­rung der Monat­rei­ni­gung zuwe­ge. Aeus­ser­lich in Auf­lö­sung kommt ihre fäul­niß­wid­ri­ge und bal­sa­mi­sche Kraft in Geschwü­ren der Myr­rhe nahe, und hie­zu schätzt man die Leberaloe am meisten.