Absud

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Absud (Decoc­tum). Aus ver­schie­de­nen Thei­len der Gewäch­se und eini­gen thie­r­i­schen Sub­stan­zen die Arz­nei­kräf­te mit Was­ser durch Hül­fe der Sie­de­hit­ze aus­zu­ziehn, und zwar voll­stän­di­ger und in einer klei­nern Men­ge Flüs­sig­keit, als bei Auf­güs­sen gesche­hen kann, ist der Zweck der Abko­chun­gen. Die­se Bear­bei­tung schickt sich blos 1) für sol­che Kör­per, aus denen man kräf­ti­ge Thei­le durch sie­den­des Was­ser zie­hen kann, fer­ner 2) für die­je­ni­gen, wel­che in die­ser Hit­ze ihre wirk­sa­men Thei­le nicht in die Luft gehen las­sen, und end­lich 3) die­je­ni­gen, von denen man kei­nen kräf­ti­gen Aus­zug durch blo­sen Auf­guß gewin­nen kann, und wel­che so hart und fest sind, daß nur die Sie­de­hit­ze ver­mö­gend ist, ihre auf­lös­li­chen Thei­le dem Was­ser einzuverleiben.

Man sieht ohne Erin­nern ein, daß von Zino­ber und Mohn­köp­fen sich kein kräf­ti­ges Dekokt erwar­ten las­se, und daß Gua­jak­holz durch­aus mit lang­wie­ri­gem Sie­den in Was­ser behan­delt wer­den müs­se, wenn es sei­ne wirk­sa­men Thei­le von sich geben soll.

Des­halb müs­sen auch bei Dekok­ten, wozu meh­re­re Spe­zi­es kom­men, immer nur die­je­ni­gen am längs­ten kochen, wel­che es am meis­ten ver­tra­gen, (Queck­sil­ber, Spieß­glanz u.s.w. in Lein­wand gebun­den (petia liga­ta) und in die Flüs­sig­keit gehan­gen,) und bedür­fen (har­te und trock­ne Höl­zer, Rin­den, Wur­zeln); die aber die Sie­de­hit­ze weni­ger lei­den oder weni­ger bedür­fen (fri­sche Gewächst­hei­le, zar­te trock­ne Kräu­ter, auch schlei­mi­ge Din­ge, deren Gum­mi die Aus­zie­hung der andern Thei­le hin­dern wür­de, Alt­hee­wur­zel, Man­na, Honig, Zucker u.s.w.) setzt man gegen das Ende des Absuds zu; und die, ohne unkräf­tig zu wer­den, auch die­ses nicht ertra­gen kön­nen (gewürz­haf­te Gewächst­hei­le) oder deren Kraft durch Kochen schnell ver­geht, wer­den erst dann zuge­setzt, wenn das Dekokt eben vom Feu­er genom­men wird, und also blos infundirt.

Die Natur der Dro­guen in die­ser Rück­sicht muß der Apo­the­ker aus Erfah­rung ler­nen, und es wür­de all-zuweit­läuf­tig seyn, hier ins Spe­zi­el­le zu gehen.

Ver­liert nicht, um nur eini­ge Bei­spie­le anzu­füh­ren, die schar­fe Aron­wur­zel, die Küchen­schel­le, der Was­ser­pfef­fer­knö­te­rich, die Hahne­fuß­ar­ten, die Wald­re­be u.s.w. ver­lie­ren nicht die töd­lichs­ten Pflan­zen, deren unge­heu­re Kraft in einem flüch­ti­gen Bestandt­hei­le liegt, der Was­ser­schier­ling, das Coni­um, die Bel­la-don­ne, das Bil­sen­kraut, die Kirsch­lor­ber, der Sturm­hut, die Alraun­wur­zel alle ihre Kräf­te durchs anhal­ten­de Kochen? ver­lie­ren ihre Kräf­te hie­durch nicht größ­tent­heils die Hasel­wur­zel, das Tau­send­gül­den­kraut, die schwar­ze Nieß­wur­zel, die Myro­bol­a­nen, das Wol­fer­lei, die Attich­rin­de, die Bene­dikt­wur­zel, die Herbst­zeit­lo­se, die Wurm­farn­wur­zel, die Bit­ter­süßsten­gel, die Ipe­ka­ku­an­ha, die Aloe? Geht nicht die schar­bock­wid­ri­ge Schär­fe im Hede­rich, den Rau­ken, der Ibe­ris, dem Mär­ret­ti­che, dem Löf­fel­krau­te, dem Weg­sen­fe auf die­se Art ver­lo­ren? Der gewürz­haf­ten Wur­zeln, Rin­den, Blät­ter und Blu­men gar nicht zu geden­ken, deren Kraft in einem äthe­ri­schen Oele liegt.

Man wer­de wenigs­tens auf die ver­schied­nen Gra­de der Kochung, die jeder Gewächst­heil lei­det und erfor­dert, auf­merk­sam, um dem Arzte wirk­sa­me Arz­nei­en in die Hän­de zu liefern.

Die Chi­na­rin­de büßt viel von ihren Kräf­ten durch lan­ges Kochen ein, das Quas­si­en­holz ver­liert dadurch viel Bit­ter­keit, und der Absud der Sen­nis­blät­ter und der Süß­holz­wur­zel wird weit unkräf­ti­ger und ekel­haf­ter am Geschma­cke als ihr Auf­guß ist. Die Rha­bar­ber behält zwar ihre zusam­men­zie­hen­de, ver­liert aber viel an ihrer pur­gi­ren­den Eigenschaft.

Man bemer­ke, daß har­te Sub­stan­zen vor­züg­lich in wohl­ver­deck­ten Gefä­ßen gekocht wer­den müs­sen, weil das sie­den­de Was­ser dann mehr Kräf­te dar­auf in kür­ze­rer Zeit äus­sert, und weil die unnö­thi­ge Ver­damp­fung des Was­sers hier­durch gehin­dert wird.

Ist die Abko­chung kei­ne Magis­tral­for­mel, so ist es sehr dien­lich, die har­ten Gewächs­sub­stan­zen vor­her Tag und Nacht an einem war­men Orte in Was­ser auf­wei­chen und quel­len zu lassen.

Daß har­te Rin­den vor­her gröb­lich gepül­vert, die Höl­zer geras­pelt und die Sten­gel und Wur­zeln klein geschnit­ten seyn müs­sen, damit dem Was­ser mehr Berüh­rungs­flä­chen dar­ge­reicht wer­den, bedarf kei­ner Erinnerung.

Weit kon­zen­trirt­e­re und mit mehr ihrer wirk­sa­men und geruch­vol­len Thei­le begab­te Absu­de wür­de man frei­lich in der Offi­zin berei­ten, wenn man sich des ganz ver­schlos­se­nen Koch­ge­schir­res dazu bedien­te, wel­ches Diges­tor (wel­ches sie­he) genannt wird.