Abklären

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Abklä­ren, (Cla­ri­fi­ca­tio) heißt eine trü­be Flüs­sig­keit durch­sich­tig machen. In der Phar­ma­zie hat man drei Vor­rich­tun­gen hie­zu, wel­che je nach der ver­schie­de­nen Natur und Absicht der Flüs­sig­keit sehr abweichen.

I. Trü­be Flüs­sig­kei­ten, wel­che durch Kochen in ihrer Natur kei­ne Ver­än­de­rung lei­den, wel­che aber theils von zu dick­li­cher Kon­sis­tenz sind, als daß sie durch­ge­sei­het wer­den könn­ten, oder in denen die frem­den Thei­le so fein vert­heilt sind, daß sie mit durchs Fil­t­rum gehen, und sich auch durch Ruhe nicht abset­zen, klärt man am bes­ten mit Eiweiß ab. Man nimmt das Wei­ße von einem Eie, schüt­tet eben soviel kal­tes Was­ser dazu, und schlägt es mit einem viel­fa­chen Rüth­chen bis sich das Was­ser innig damit ver­bun­den hat; das Schäu­men ist etwas sehr unwich­ti­ges und zufäl­li­ges bey die­ser Ver­rich­tung. Ist die­se klei­ne Men­ge Was­ser innig mit dem Eiweiß ver­ei­nigt, so wird es unter die kal­te oder doch lau­lich­te Flüs­sig­keit, wel­che man klar machen will, meh­re­re Minu­ten lang gerührt, dann erst setzt man sie über das Feu­er und bringt sie so schnell als mög­lich ins Kochen. So wie die ers­te oder zwei­te Auf­wal­lung gesche­hen ist, nimmt man die Flüs­sig­keit hin­weg und sei­het sie durch. Ein ein­zi­ges Eiweiß reicht zu zehn und meh­re­ren Pfun­den Flüs­sig­keit auf die­se Art zu. Die durch­aus und über­all in der Flüs­sig­keit ver­brei­te­ten Theil-chen des Eiwei­ßes ziehn sich bei die­ser Hit­ze zu klei­nen käsich­ten geron­ne­nen Klümp­chen zusam­men, und neh­men alle trü­be machen­den Theil­chen in sich auf.

Die blo­ße Auf­tra­gung des Eiweiß­schau­mes auf die schon kochen­de Flüs­sig­keit ist ein schwie­ri­ges, lang­wei­li­ges, oft unzu­läng­li­ches Verfahren.

Man war­te auch nicht, bis sich im Kochen alles geron­ne­ne Eiweiß auf der Ober­flä­che gezeigt hat, um es mit dem Schaum­löf­fel abneh­men zu kön­nen. Meh­re­re Salz­auf­lö­sun­gen lösen bei lan­gem Sie­den einen beträcht­li­chen Theil des geron­ne­nen Eiwei­ßes wie­der auf, und auf der andern Sei­te sind oft die nun koagul-irten Unrei­nig­kei­ten so schwer, daß das damit ver­bun­de­ne Eiweiß nicht so voll­kom­men auf der Ober­flä­che erschei­nen kann, um rein abge­schäumt wer­den zu kön­nen. Das Durch­sei­hen voll­endet daher die­se Arbeit hin­rei­chend, und nur dann möch­te das blo­se Abschäu­men zurei­chen, wenn der trü­be machen­den Thei-le nur wenig sind, oder das Eiweiß in weit grö­ße­rem Ver­hält­nis­se zuge­setzt wird.

Die­se Abklä­rung mit Eiweiß ist unnö­thig, wo die Flüs­sig­keit durch Abgie­ßen nach vor­gän­gi­ger Ruhe oder Fil­tri­ren, w.s. gerei­nigt wer­den kann; sie ist schäd­lich, wenn die kräf­ti­gen Thei­le der Flüs­sig­keit dadurch ver­lo­ren gehen, und sie taugt nicht zu lau­gen­sal­zi­gen Flüs­sig­kei­ten, weil sie viel vom Eiwei­ße auf­lö­sen. Am bes­ten und wirk­sams­ten aber rei­nigt sie sol­che trü­be Flüs­sig­kei­ten, wel­che irgend eine freie Gewächs­säu­re enthalten.

Die alte Phar­ma­zie rei­nig­te auf die­se Art sowohl die fri­schen Pflan­zen­säf­te als auch die Absu­de der trock­nen Vege­ta­bi­li­en, theils wenn sie in flüs­si­ger Gestalt ver­braucht wer­den soll­ten, theils bevor man sie zum Extrak­te ein­dick­te. Alle nicht nur erdi­ge und hol­zi­ge, son­dern auch fast alle har­zi­gen Thei­le wur­den auf die­se Art hin­weg­ge­nom­men, und die Aerz­te sahen, daß ihnen auch alle Arz­nei­kräf­te ent­zo­gen wor­den waren. Die Abklä­rung die­ser Flüs­sig­kei­ten mit Eiweiß wird daher fast von kei­nem ver­nünf­ti­gen Apo­the­ker mehr ver­rich­tet, und wohl kein ein­sichts­vol­ler Arzt wird sie je in sei­nen Ver­ord­nun­gen hie­zu vorschreiben.

II. Bei den genann­ten Flüs­sig­kei­ten, wel­che die Klä­rung mit Eiweiß nicht ver­tra­gen, ist es so wie bei den meis­ten übri­gen schon hin­rei­chend, wenn man die gro­ben Thei­le durch eine Ruhe von meh­rern Stun­den oder Tagen von selbst sich zu Boden set­zen läßt, und dann das Hel­le mit der im Arti­kel Abgie­ßen ange­geb­nen Behut­sam­keit von dem Boden­sat­ze abgießt, dem man noch auf einem Sei­he­tu­che sei­nen flüs­si­gen Theil voll­ends ent­zieht und zum erstern Hel­len thut.

Die­se Abklä­rung ist durch­aus bei fei­nen Flüs­sig­kei­ten erfor­der­lich, deren Werth in riech­ba­ren, flüch­ti­gen gewürz­haf­ten oder geis­ti­gen Thei­len liegt, bei Rata­fi­as und Auf­güs­sen der mit äthe­ri­schen Oelen geschwän­ger­ten Blu­men, Pflan­zen­spit­zen u.s.w. Selbst bei Rei­ni­gung der Dekok­te und der frisch zu ver­brau­chen­den Kräu­ter­säf­te ist sie statt aller andern Vor­rich­tun­gen zu emp­feh­len. Kugel­för­mi­ge Phio­len, wel­che an ihrem kur­zen Hal­se einen über­ge­bo­ge­nen Rand haben und gut ver­korkt wer­den kön­nen, sind zu die­ser von selbst erfol­gen­den Abklä­rung die bes­ten (Abgie­ßen).

Eini­ge Frucht­säf­te las­sen, ihrer schlei­mi­gen Beschaf­fen­heit wegen, die trü­ben Thei­le sehr schwer nie­der­sin­ken, wenn man sie nicht meh­re­re Tage an einem kal­ten Orte ste­hen und so einen Anfang der Zer­set­zung der Schleimt­hei­le erfah­ren läßt, wovon bei den ver­schied­nen ein­zel­nen Frucht­säf­ten das nöthige.

Man muß aber wis­sen, daß die Dekok­te und die frisch aus­ge­preß­ten Säf­te der Pflan­zen durch blo­se Ruhe zwar die grö­bern Fasern und schwe­ren erdi­gen Thei­le von selbst abset­zen, (und dies ist zu aller Absicht eines wackern Arz­tes hin­rei­chend,) aber hell und klar kön­nen sie sel­ten hier­durch wer­den, wel­ches auch nie­mand ver­langt, wer da weiß, daß in den fei­nen har­zi­gen, die­se Flüs­sig­kei­ten trü­be machen­den Theil­chen immer das eigent­li­che Wirk­sa­me die­ser Arz­nei­en lie­get. Sechs bis zwölf­stün­di­ge Ruhe ist zur Abset­zung der gro­ben Thei­le die­ser Flüs­sig­kei­ten völ­lig hinreichend.

Die als Schaum oben­schwim­men­den fase­ri­gen Thei­le kann man mit einer Schaum­kel­le abnehmen.

Da man sie also nun ein­mal nicht ohne Ver­til­gung ihrer Arz­nei­kräf­te ganz hell und klar machen kann, so ist es schon hin­rei­chend, die Dekok­te und aus­ge­preß­ten Kräu­ter­säf­te durch ein rei­nes dich­tes wol­le­nes Tuch zu gie­ßen, ehe man sie ent­we­der flüs­sig ver­braucht, oder zu Extrak­ten eindickt.

Bau­mé füllt dün­ne Fla­schen mit dem geruch­vol­len fri­schen Kräu­ter­saf­te, z.B. dem Kör­bel­saf­te, bis zu drei Vier­teln an, ver­bin­det die Mün­dung mit nas­sem Per­ga­ment, und taucht sie zu wie­der­hol­ten malen in hei­ßes fast kochen­des Was­ser, bis der Saft ziem­lich heiß gewor­den, und man bemerkt, daß sich die har­zi­gen Thei­le in Klümp­chen zusam­men geben, dann läßt er sie noch fest ver­bun­den erkal­ten, und sei­het den kal­ten Saft durch. Die­ser mag dann wohl weni­ger von sei­nen Kräf­ten ver­lo­ren haben, als bei andern Klä­run­gen, aber ver­lo­ren hat er alle­mal etwas.

Flüs­sig­kei­ten, wel­che ihre Trüb­heit nicht bin­nen eini­gen Tagen von selbst nie­der­set­zen kön­nen, ent­we­der weil sie all­zu dick­lich und schlei­mig, oder weil die trü­ben Thei­le all­zu fein sind, las­sen sich auch mit­telst des Durch­sei­hens (wel­ches sie­he) nicht davon tren­nen. Sie gehen ent­we­der durch kein Fil­t­rum, oder sie gehen trü­be hin­durch. Man kann sich aber III. noch einer andern Metho­de zur Abklä­rung sol­cher Flüs­sig­kei­ten bedie­nen, wel­che ohne Hit­ze hell gemacht wer­den sol­len, wie beim Agrest in Frank­reich gewöhn­lich, und bei allen wohl­rie­chen­den Frucht­säf­ten (dem Him­beer­saf­te u.s.w.) vort­heil­haft ist. Man ver­mischt sie näm­lich genau und innig mit etwa 1/​200 frisch gemol­ke­ner unge­koch­ter Kuh­milch, und läßt sie damit so lan­ge an einem küh­len Orte ste­hen, bis der klei­ne Ant­heil Milch geron­nen und die trü­ben Thei­le in den Käse­mat­ten auf­ge­nom­men sind; dann sei­het man sie durch einen Spitzbeutel.

So wer­den trü­be Flüs­sig­kei­ten klar und durch­sich­tig gemacht; sie behal­ten aber auf die­se Art immer noch ihre mehr oder weni­ger dunk­le Far­be. Wie sie auch von die­ser, wo nöthig, befrei­tet, das ist, wie brau­ne Lau­gen ent­färbt und was­ser­hell gemacht wer­den kön­nen, dieß sehe man unter dem Arti­kel Ent­fär­bung nach.