Zucker – nicht nur ein Stoffwechselgift
Diabetes ist eine häufig vorkommende Stoffwechselerkrankung. Der oft genutzte Begriff Zuckerkrankheit weist auf ein Hauptsymptom hin. Nämlich auf den, die Überzuckerung des Blutes (Hyperglykämie) bedingenden schmeckbaren “honigsüßen (Harn)Durchfluss”. Seit längerem wird der Erwachsenen-Diabetes gern als Wohlstandserkrankung klassifiziert. Dem gegenüber steht jedoch, dass die Erkrankung ebenso in den Entwicklungs- und Schwellenländern grassiert. Während Gesundheits-Experten weiterhin über mögliche Ursachen, Prävention oder Bekämpfung der Erkrankung rätseln, stehen den Gesundheitsökonomen die Haare zu Berge: Denn Diabetes Typ II verursacht aufgrund der weltweiten Häufigkeit und den weitreichenden, gesundheitlichen Folgen schon heute immense Kosten.
In den USA haben Ökonomen errechnet, dass bei einem weiteren Anstieg der Diabetiker-Anzahl bald kein Geld mehr für die Behandlung anderer Erkrankungen zur Verfügung stehen wird. In Deutschland betragen die diabetes-assoziierten Kosten bereits heute über 60 Mrd. Euro/Jahr [a]. Weltweit wird mit explodierenden, “katastrophalen” Kosten durch die erworbene Zuckerkrankheit Typ II gerechnet, die viele nationale Wirtschaftssysteme an ihre Leistungsgrenzen führen werden [b]. Und die Zahl der weltweit Betroffenen steigt weiter an: Momentan wird von knapp 300 Millionen Betroffenen weltweit ausgegangen – fast eine Verdoppelung gegenüber 1980. In Deutschland sind es laut Zahlenangaben der Deutschen Diabetes Hilfe über 6 Millionen Menschen mit Diabetes (Steigerung zu 1998 um 38 %).
Diabetes-Formen
Bei der Zuckerkrankheit werden derzeit zwei Formen unterschieden: Beim Tpy-1-Diabetes (“juvenile Zuckerkrankheit”) kann der Körper kein eigenes Insulin produzieren (etwa 30.000 Schweizer). Deshalb müssen die Betroffenen, um überleben zu können, ihr Leben lang Insulin spritzen. Die Ursachen sind nicht geklärt – vermutet wird, es handele sich um eine Art Autoimmunerkrankung. Vom Typ 2‑Diabetes (“Erwachsenen-Zuckerkrankheit”) sind 90 Prozent der Diabetiker betroffen. Früher wurde gerne von einer Alterserkrankung gesprochen, doch die meisten Diabetiker sind etwa zwischen 40 bis 50 Jahre alt. Zudem wurde in den letzten Jahren eine Zunahme von Diabetes des Typs-2-Diabetes bei Jüngeren und sogar bei Kindern festgestellt. Die Crux: Diabetes beginnt schleichend. Betroffene fühlen sich meistens nicht krank, sondern haben zunächst unklare Symptome wie beispielsweise beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen. Experten bedauern, dass häufig bis zu sieben Jahre vergehen, bis ein vorliegender Diabetes sicher diagnostiziert wird. In vielen Fällen sind dann bereits Spätfolgen aufgetreten wie Sehstörungen, Nierenschäden oder die sogenannten diabetischen Füße.
Insulin: Das lebenswichtige Hormon wird in der Bauchspeicheldrüse produziert. Es hat eine Schlüsselfunktion bei der Verwertung von Kohlenhydrate in der Nahrung. So sorgt Insulin
dafür, dass die Zellen die Glukose als Energieträger aufnehmen und verarbeiten können. Ist der Blutzuckerstoffwechsel gestört, kann der Blutzuckerspiegel stark ansteigen. Bei Insulinresistenz, zum Beispiel wegen funktionsgestörter Insulinrezeptoren, können die Zellen nicht mehr genügend Glukose aufnehmen, es bleibt im Blut. Ein derart erhöhter Blutzuckerspiegel kann auf Dauer Nerven (Neuropathie), Nieren (chronisches Nierenversagen, Dialysepflicht), die feinen Kapillare der Blutgefäße in den Augen (Erblindung = “diabetische Retinopathie”) oder in den Beinen (“diabetischer Fuss”, “offenes Bein”) schwer schädigen. Auch große Blutgefässe sind betroffen. Dabei können Störungen der Libido oder Erektionsprobleme bis hin zu Herzinfarkt oder Schlaganfall auftreten.
Hintergrund: Metabolisches Syndrom
Kochsendungen im Fitness-Studio
Moderne Einsichten zeigen, dass der Diabetes mellitus Typ II vielfach eine Folge des metabolisches Syndroms ist (Ursache ungeklärt). Dessen Charakteristika: Erhöhtes Bauchfett (abdominelle Fettleibigkeit, viszerale Adipositas), Bluthochdruck (Hypertonie), erhöhte Blutfettwerte (Dyslipidämie) und/oder Insulinresistenz. Experten gehen davon aus, dass metabolisches Syndrom und Erwachsenen-Diabetes Zivilisations-Erkrankungen sind. Sie machen die Überernährung verantwortlich, das heisst hochkalorische oder regelmäßige, tägliche Nahrungsaufnahme. Auch der Bewegungsmangel soll eine wesentliche Rolle spielen oder Faktoren wie Stress, Rauchen oder regelmäßiger Alkoholkonsum. Querdenker gehen noch weiter: Ursächliche Faktoren können chronischer Stress, vielstündiges, tägliches Fernsehen (Stresshormon-Störung durch das Flimmern des Bildschirmes) oder Störungen der Chronobiologie zum Beispiel durch Schichtarbeit sein. Experten-Einigkeit besteht darin, dass dem metabolischen Syndrom und damit dem Erwachsenen-Diabetes bis zu über 70 Prozent vorgebeugt werden kann. Ähnliches gilt für eine frühzeitige Behandlung, die einen Großteil der Behandlungs- und Folgekosten bei Diabetes unnötig machen würde.
Es ist leicht selbst zu überprüfen, ob man/frau Diabetes-gefährdet ist. Ein anerkannter Anzeiger für eine Disposition zum metabolischen Syndrom und Erwachsenen-Zuckerkrankheit ist das Bauchfett (“viszerale Adipositas”, weniger das Gesamtkörpergewicht!). Man nehme also ein gewöhnliches Zentimetermass und lege dieses auf Höhe des Bauchnabels waagerecht rund um den Körper. Bei gerader Körperhaltung am besten vor einem Spiegel wird nun einmal ein- und ausgeatmet. Nach dem nächsten normalen Ausatmen wird gemessen. Frauen mit einem Bauchumfang ab 80 cm sind mässig, ab 88 cm hochgradig gefährdet, an einer arteriosklerotischen Herzkreislauf-Erkrankung, an Bluthochdruck oder Erwachsenemzucker zu erkranken (alles Folgen eine fortschreitenden metabolischen Syndroms). Bei den Männern betragen die Werte 94 cm (mässige Gefährdung) und 102 cm (hohe Risiko). Ein Gang zum Hausarzt, der dann die Blutzuckerwerte und andere Stoffwechsel-Parameter bestimmt, können weitere Gewissheit verschaffen.
Wandern in den Bergen
Neben dem großen Problem, Diabetes mellitus nicht als ernsthafte Bedrohung für die eigene Gesundheit einzuschätzen, ist die geringe Attraktivität der nachhaltigen Lebensstiländerung ein weiteres. Dabei steht nicht nur die Macht der Gewohnheit den meisten Menschen im Wege. Es sind auch die Misserfolge (Diäten) oder demotivierende Erfahrungen (Sport), die einer erfolgreichen, langfristigen Änderung im Ernährungs- oder Bewegungsverhalten entgegen wirken. Die Naturheilkunde verfügt über eine Palette von Möglichkeiten zur Therapie-Unterstützung. Eine einschneidende und zudem als ausgesprochen hilfreich empfundene ist das Fasten.
Fasten ist wirksam
Dr. Eva Lischka
“Studien zeigen sogar, dass sich das Leben nach dem Fasten nachhaltiger ändert als nach Diäten”, erklärt Dr. Eva Lischka aus der Buchinger Fastenklinik am Bodensee. Die Motive der Faster, die alljährlich die Klinik aufsuchen, reichen von nachhaltiger Gesundheitsvorsorge bis hin zu den Behandlungen von Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma, Adipositas oder Allergien. Lischka erklärt weiter, dass durch Studien ebenfalls nachgewiesen werden konnte, dass Fasten tief in die körperlichen Strukturen eingreift. Denn indem die Nahrungszufuhr unterbrochen wird, muss der Organismus auf seine Reserven zurückgreifen. Die Fettdepots werden auf natürliche Weise abgebaut. Dadurch verlieren die Faster an Gewicht, wichtiger ist jedoch: Der Bauchspeck wird reduziert. Die mit Fasten erreichte “Umstimmung” des Organismus ist übrigens ein im Erbgut festgelegtes, völlig natürliches Reaktionsmuster. Es hat sich in der Evolution als probate Methode entwickelt, mit immer wieder vorkommenden Phasen von Nahrungsmangel umzugehen. Die Fasten-Umstimmung aktiviert also nur seit Jahrmillionen vorhandene Stoffwechsel-Aktivitäten. “Menschen mit Diabetes-Gefährdung können durch Fasten ihre Blutfettwerte wieder normalisieren. Je nach Krankheitsstadium können wir auch erreichen, dass Diabetiker entweder ganz mit der Medikamenten-Einnahme aufhören können oder immerhin weniger Medikamente benötigen”, so die Ärztin. Befragt, warum denn bei derartigen Erfolgen das Fasten nicht zur Gesundheitsversorgung gehört, lacht Lischka: “Das Geschäft mit der Krankheit läuft gut. Pharmafirmen bieten hochpreisige Medikamente und Produkte an, und die Regierung freut sich über das stetig wachsende Bruttosozialprodukt”.Das Fasten richtet sich in der Klinik nach den Wünschen und der Zeit, die die Faster mitbringen, erläutert die Ärztin weiter. Ausserdem werden noch Bewegungs- und Entspannungsprogramme angeboten. “Bei uns können sämtliche Sportarten ausprobiert werden. Denn Sport soll Freude bereiten. Wer sich quält, ist kaum langfristig zu motivieren”, so Lischka. Zum ganzheitlichen Konzept gehören ebenfalls Psychotherapie oder Gesprächsangebote. In diesen gehen Faster mit Hilfe von Therapeuten den persönlichen Motiven des Essens nach: “Dahinter können Frust, Trauer, Stressbewältigung, Belohnung oder mangelnder Sinn im Leben stehen”, so die Ärztin. “Erst wenn jemandem bewusst geworden ist, warum er sich vollstopft, kann er die Gründe beseitigen und später gegensteuern”. Lischka empfiehlt Diabetikern eine halbjährliche Wiederholung des Fastens bis die medizinischen Ziele erreicht oder die seelisch, geistigen Bedürfnisse in Einklang gebracht sind.
Sich bewegen in der Natur, hat heilsamen Charakter
Weitere naturheilkundliche Maßnahmen basieren auf den Vorstellungen bekannter Lebensreformer aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Auch sie hatten die schädlichen Auswirkungen der Zivilisationserkrankungen längst erkannt. Unter ihnen berühmte Schweizer wie Alfred Vogel, Johannes Künzle oder Maximilian Oskar Bircher-Benner beispielsweise. Sie kritisierten schon zu ihrer Zeit eine ressourcenfressende, widernatürliche und überbordende Lebensweise und forderten unter anderem Mässigung. Dem teilweisen Versagen der naturwissenschaftlich orientierten Medizin (“Schulmedizin”) setzten sie naturheilkundlich orientierte Gegenkonzepte entgegen. Bekannt sind auch Sebastian Kneipp oder Otto Buchinger, die aufgrund eigener Erkrankungen strikt einzuhaltende Lebensweisen entwickelten, um vor erneuter Erkrankung verschont zu bleiben. Wenn auch Unterschiede bei den Ansätzen/ Verfahren der Lebensreformer bestehen mögen – in ihren ordnungspolitischen Vorgaben sind sie sich weitgehend einig: Diese umfassen Massnahmen in der Ernährung, Bewegung, Hygiene (auch im geistig-seelischen Sinn), Spiritualität sowie auch die Sorge um das Gemeinwohl.
Ernährungstherapie
* Verboten sind Zucker, Honig, Ahorn‑, Rübensirup, Birnen‑, Apfeldicksaft, alle zuckerhaltigen Fertignahrungsmittel und Getränke.
* Unerwünscht sind künstliche Süßstoffe. In großen Mengen können sie die diabetische Stoffwechselsituation verstärken.
* Ernährungsumstellung auf ausgewogene Vollwertkost, Reduktion von tiereiweisshaltigen Produkten.
* Einschränkung des Fettverbrauchs und Verzicht gehärteter oder raffinierter Fette. Dafür mehr Naturbelassenes und weniger Erhitztes essen. Umstellung auf 5–7 kleinere Mahlzeiten pro Tag.
* Durch Verzicht auf Essen einmal in der Woche, können “angefutterte Kalorien” wieder ausgeglichen werden. Wichtig: Keine Gewohnheit aufkommen lassen, stets unterschiedliche Wochentage aussuchen (“intermittierendes Fasten”).
Bewegungstherapie
* Stoffwechselanregende Bewegungstherapien sind dann sinnvoll, wenn sie ausdauernd und täglich ausgeübt werden (mindestens eine Stunde bei mittlerer Aktivität). Es eignen sich sämtliche Sportarten, die tatsächlich gerne durchgeführt werden. Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, Golfen, Wandern, Laufen (mäßiges Joggen- Sprints meiden).
* Intensives, regelmäßiges Ausdauertraining erhöht Lebensqualität und Lebenserwartung.
Balneotherapie
Bergklima für die ganze Familie
* Zur Verbesserung der Kohlenhydrat-Toleranz kann eine Klimakur im Gebirge führen.
* Ausserdem empfehlenswert: Trinkkuren mit ärztlich ausgewählten Heilquell-Wässern.
* Verschiedene Bäder, zum Beispiel im Wasser des Toten Meers, senken den Blutzuckerspiegel.
Hydrotherapie
* Wasseranwendungen à la Kneipp: Ganzwaschungen, warme Bürstenbäder, 3 x wöchentlich ein warmes Bad, Zusätze wie Kiefern-Fichtennadel sind angenehm (Blutzuckerspiegel sinkt im warmem Bad).
* Kneippsche Güsse, Wassertreten und anderes verbessert die Durchblutung, zum Beispiel in den Unterschenkeln und Füßen.
Phytotherapie
Wermut
* Grundsätzlich stimulieren pflanzliche Bitterstoffe die Rezeptoren im Mund und Darm. Dies fördert den Fettabbau des Bauchspecks (viszerale Adipositas). Pflanzliche Bitterstoffe sind in vielen Pflanzen enthalten beispielsweise in Löwenzahn (Taraxacum officinale) oder Wermut (Artemisia absinthum).
* Auch Wildkräutersalate enthalten Bitterstoffe
* Knoblauch wirkt blutdruck- wie Blutfette senkend
* Eine Vielzahl von Pflanzen/-zubereitungen helfen, entgleiste Stoffwechselparameter zu normalisieren (Beispiel Bockshornklee, der auch noch nervenschützende Effekte hat).
Ordnungstherapie
* Neben den schon genannten Ansätzen der Lebensreformer, sollten auch langfristig Stressverringerung, Angstabbau, gesunder Schlaf oder Einschränkung des Fernseh- oder Alkoholkonsum anvisiert werden.
* Bei der “Entschleunigung” des Lebenstempo helfen Entspannungsverfahren oder meditative Bewegungstherapien.
Autorin
• Marion Kaden, natürlich leben (2015).
Quellen
[a] von Ferber L, Köster I, Hauner H: Kosten der antihyperglykämischen Behandlung des Diabetes mellitus: Einfluss von Lebensalter, Therapieart und Komplikationsstatus: Ergebnisse der KoDiM-Studie 2001. Med Klin (Munich). 2006 May 15;101(5):384–93.
[b] Suhrcke M. Nugent R A, Stuckler D, Rocco L. Chronic disease: an economic perspective. London: The Oxford Health Alliance, 2006.