Arzneipflanzen-Merkblätter des Kaiserlichen Gesundheitsamts: Nr. 32, Sammelt Blätter und Blüten für Tee (1917)

Nutz­blät­ter.

Im Juni sam­melt man die noch nicht völ­lig aus­ge­wach­se­nen Blät­ter des Wal­nuß­baums. Sie müs­sen schnell am bes­ten bei künst­li­cher Wär­me, in Back­öfen oder Dörr­öfen, getrocknet

Wer­den, damit ihre grü­ne Far­be erhal­ten bleibt. Wal­nuß­blät­ter haben tro­cken wohl noch einen wür­zi­gen Duft, aber den star­ken eigen­ar­ti­gen Geruch der fri­schen Blät­ter. Braun gewor­de­ne Ware ist unverkäuflich.

Erd­beer­blät­ter.

Man sam­melt die Blät­ter unse­rer in allen Wäl­dern ver­brei­te­ten Wald­erd­bee­re am bes­ten im Mai und Juni, noch bevor sie voll­kom­men aus­ge­wach­sen sind, und trock­net sie auf einem war­men gelüf­te­ten Boden.

Brom­beer­blät­ter. Himbeerblätter.

Die Blät­ter der an Wald­rän­dern, an Abhän­gen, in lich­ten Wäl­dern, in Gebir­gen und an Wald­we­gen über­all ver­brei­te­ten Brom­beer- und Him­beer­sträu­cher wer­den am bes­ten im Juni und Juli gesam­melt, bevor sie voll­stän­dig aus­ge­wach­sen sind, und auf einem war­men gelüf­te­ten Boden getrocknet.

Bir­ken­blät­ter.

Die Blät­ter unse­rer durch ihre wei­ße Rin­de gekenn­zeich­ne­ten Bir­ken­bäu­me und ‑sträu­cher wer­den im Mai und Anfang Juni gesam­melt, bevor sie voll­stän­dig aus­ge­wach­sen sind und so lan­ge sie noch ihren ange­neh­men wür­zi­gen Duft besit­zen. Sie wer­den auf Böden, in dün­ner Schicht aus­ge­brei­tet, getrocknet.

Wald­meis­ter­kraut, Maikräuter.

Unter Wald­meis­ter­kraut ver­steht man die gesam­ten, am bes­ten bei künst­li­cher Wär­me rasch getrock­ne­ten, ober­ir­di­schen Tei­le, die Sten­gel samt Blät­tern und Blü­ten, der in schat­ti­gen Laub­wäl­dern, beson­ders in Buchen­wäl­dern, über­all ver­brei­te­ten und stel­len­wei­se über­aus häu­fi­gen Wald­meis­ter­pflan­ze, Aspe­ru­la oro­da­ta. Man sam­melt das Kraut im Mai am bes­ten vor dem Ent­fal­ten der Blü­ten, da es zu die­ser Zeit den stärks­ten Duft besitzt. Aller­dings sind dem Wald­meis­ter im blü­ten­lo­sen Zustand eini­ge ver­wand­te, für Tee aber nicht brauch­ba­re Pflan­zen recht ähn­lich; doch erkennt man die­se sofort an ihrer völ­li­gen Geruch­lo­sig­keit. Wald­meis­ter­kraut wird beim Trock­nen blau­grün bis schwarzgrün.

Taub­nes­sel­blü­ten.

Als Taub­nes­sel­blü­ten wer­den zu Tee die Blü­ten der über­all in Deutsch­land an Dorf­stra­ßen, in Hecken, an Zäu­nen oft in dich­ten Mas­sen vor­kom­men­den wei­ßen Taub­nes­sel, Lami­um album ver­wen­det. Von Ende April bis Juni tre­ten in den Blatt­ach­seln der bis 1/​2 m hohen, krau­ti­gen Pflan­ze mit ihren bren­nes­sel­ar­ti­gen, aber nicht Schmerz erzeu­gen­den Blät­tern die schö­nen, ziem­lich gro­ßen, schnee­wei­ßen Lip­pen­blü­ten her­vor. Die­se wer­den vor ihrer voll­stän­di­gen Ent­fal­tung mög­lichst an war­men tro­cke­nen Tagen aus den grü­nen Kel­chen her­aus­ge­zupft und rasch, am bes­ten bei künst­li­cher Wär­me, getrock­net. Ware, die braun gewor­den, ist unverkäuflich.

Schleh­dorn­blü­ten, Schwarz­dorn­blü­te, Schlehenblüten.

Der 1–3 m hohe, dor­ni­ge Schle­hen­strauch, der auf son­ni­gen Hügeln und an Wald­rän­dern über­all in Deutsch­land ver­brei­tet und häu­fig zu Hecken ange­pflanzt ist, ent­fal­tet sei­ne schnee­wei­ßen, klei­nen Blü­ten schon im April und Mai, bevor sich die Blät­ter ent­wi­ckelt haben. Die Blü­ten, die die Sträu­cher über und über bede­cken, wer­den an tro­cke­nen Tagen vor­sich­tig aus den grü­nen Kel­chen her­aus­ge­pflückt und schnell an der Son­ne getrock­net. Wer­den die Blü­ten nach Regen gesam­melt oder unvor­sich­tig getrock­net, so neh­men sie eine brau­ne bis schwärz­li­che Far­be an und wer­den im Han­del nur schlecht bezahlt.

Holun­der­blü­ten, Hol­der­blü­ten, Fliederblüten.

Der Holun­der­strauch, Sam­bu­cus nigra, der in Laub­wäl­dern, in feuch­ten Gebü­schen, in Hecken und an Zäu­nen über­all in Deutsch­land ver­brei­tet ist und auch sehr häu­fig in Gär­ten ange­pflanzt wird, ent­fal­tet im Mai, Juni und Juli sei­ne von klei­nen duf­ten­den, wei­ßen zusam­men­ge­setz­ten, flach schirm­ar­tig auf­ge­rich­te­ten, hand­flä­chen­gro­ßen Blü­ten­dol­den. Die­se wer­den an tro­cke­nen Tagen abge­schnit­ten, zusam­men­ge­bün­delt und mög­lichst rasch, am bes­ten bei künst­li­cher Wär­me, getrock­net; dar­auf reibt man die Blü­ten durch ein Sieb, durch wel­ches die klei­nen Blü­ten hin­durch­fal­len, wäh­rend die unbrauch­ba­ren Stie­le des Blü­ten­stan­des zurück­blei­ben. Noch bes­ser ver­fährt man so, daß man die Blü­ten­dol­den, wenn sie noch nicht ganz tro­cken gewor­den sind, wie­der in die Hand nimmt und die Blü­ten abstreift. Nur Blü­ten, die nach dem Trock­nen eine schö­ne gelb­li­che bis gel­be Far­be besit­zen, wer­den vom Han­del ver­langt, wäh­rend durch unvor­sich­ti­ges Trock­nen bräun­lich bis braun gewor­de­ne Ware unver­käuf­lich ist.

Lin­den­blü­ten.

Die bei­den Lin­den­ar­ten, die Stein­lin­de, Win­ter­lin­de (Tilia corda­ta) und die Som­mer­lin­de (Tilia pla­ty­phyl­los) sind in Laub­wäl­dern und Gebü­schen Deutsch­lands über­all ver­brei­tet, wer­den aber wohl am häu­figs­ten als Stra­ßen­bäu­me ange­trof­fen. Die 2 bis 5 Blü­ten tra­gen­den Blü­ten­stän­de der Som­mer­lin­de ent­wi­ckeln sich im Juni, die fünf- bis elf­blü­ti­gen der Win­ter­lin­de gewöhn­lich erst 14 Tage spä­ter. Zur Voll­blü­te­zeit wer­den die gan­zen Blü­ten­stän­de samt dem ihrem Stiel ange­wach­se­nen, gelb­lich­grü­nen, papier­dün­nen Flü­gel­blatt abge­pflückt. Beim Sam­meln, das man nur mit Hil­fe einer Steh­lei­ter vor­neh­men kann, ist dar­auf zu ach­ten, dass die Äste mit ihrem sehr wei­chen Holz nicht abge­bro­chen werden.

Da Lin­den­blü­ten eine vor­treff­li­che Bie­nen­wei­de sind, sol­len nur die Blü­ten der unte­ren Äste gesam­melt wer­den, was auch in der Regel genügt, da Lin­den reich­lich blühen.

Am meis­ten geschätzt sind die Blü­ten der Steinlinde.

Nicht gesam­melt dür­fen wer­den die Blü­ten­stän­de der manch­mal bei uns ange­pflanz­ten Sil­ber­lin­de (Tilia toment­o­sa), deren Blät­ter auf der unte­ren Sei­te dicht fil­zig behaart sind. Sie find leicht dar­an zu erken­nen, daß bei ihnen das Flü­gel­blatt vorn am brei­tes­ten ist und oft eine Brei­te von über 2 cm erreicht.

Das Trock­nen der Lin­den­blü­ten muß sofort gesche­hen und erfolgt ent­we­der nach Aus­brei­ten der Blü­ten in dün­ner Schicht an der Son­ne oder aber in einem tro­cke­nen, luf­ti­gen Raum. Unvor­sich­tig getrock­ne­te Blü­ten wer­den braun und unan­sehn­lich, ver­lie­ren auch ihren zar­ten Duft und sind dann unverkäuflich.

Vor­be­zeich­ne­te Blät­ter und Blü­ten wer­den, wenn sie sach­ge­mäß getrock­net sind, vom Dro­gen­han­del ange­kauft. Wer sich einen Ersatz für schwar­zen (chi­ne­si­schen) Tee für sei­nen Haus­halt selbst her­stel­len will, fin­det dazu Anlei­tung in dem Merk­blatt “Tee­mi­schun­gen für den Haus­halt” (Ver­lag von Juli­us Sprin­ger in Ber­lin W. 9). Dazu kön­nen auch Dro­gen ver­wen­det wer­den, die beim Trock­nen miß­far­big gewor­den sind.

Quel­len
Arz­n­ei­pflan­­zen-Mer­k­­blä­t­­ter des Kai­ser­li­chen Gesund­heits­amts /​​ Bearb. in Gemein­schaft mit d. Arz­n­ei­pflan­­zen-Aus­­­schuß d. Deut­schen Phar­ma­zeut. Gesell­schaft Ber­­lin-Dah­­lem. Sprin­ger, Ber­lin, 1917.

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