Arzneipflanzen-Merkblätter des Kaiserlichen Gesundheitsamts: Nr. 7, Kamillenblüten (1917)

Kamil­len

Die gebräuch­li­chen Kamil­len sind die Blü­ten­köp­fe der in Deutsch­land sehr ver­brei­te­ten Matri­ca­ria cha­mo­mil­la L., die all­ge­mein unter dem Namen Kamil­le oder Cha­mil­le, sel­te­ner als “Mäg­de­blu­me” oder “Romei” bekannt ist.

Die Pflan­ze ist so eigen­ar­tig, daß sie nach der hier bei­gege­be­nen Abbil­dung leicht erkannt wird; eine genaue­re Beschrei­bung kann auch des­halb unter­blei­ben, weil die Kamil­le durch einen ihr eigen­tüm­li­chen, all­ge­mein bekann­ten, star­ken Geruch sich aus­zeich­net. Als Ver­wechs­lun­gen kom­men höchs­tens in Fra­ge die Feld- Hunds­ka­mil­le (Ant­he­mis arven­sis L.) mit grö­ße­ren, geruch­lo­sen Blü­ten­köp­fen, und die Stink-Kamil­le (Ant­he­mis cotu­la L.), eben­falls mit grö­ße­ren, unan­ge­nehm rie­chen­den Blü­ten­köp­fen, end­lich mit grö­ße­ren, ganz fla­chen, geruch­lo­sen Blü­ten­köp­fen. Alle die­se Pflan­zen haben einen aus­ge­füll­ten Blü­ten­bo­den, wäh­rend die Kamil­le stets einen deut­lich hoh­len Blü­ten­bo­den anf­weist (der Blü­ten­bo­den ist der kegel­för­mi­ge Teil des Blü­ten­köpf­chens, ans dem die zahl­rei­chen, klei­nen, gel­ben Schei­ben­blü­ten anf­sit­zen und an des­sen unte­rem Ran­de die wei­ßen Strahl­blü­ten stehen).

Die Kamil­le ist in Deutsch­land über­all auf Fel­dern, unbe­bau­tem Land, an Wegen, beson­ders auf Sand- und Lehm­bo­den ver­brei­tet; wo sie vor­kommt, fin­det sie sich meist in grö­ße­ren Mengen.

Beim Ein­sam­meln, das vom Ende Mai bis Juli gesche­hen kann und nur an tro­cke­nen Tagen statt­fin­den soll, ist dar­auf zu ach­ten, daß die mög­lichst jun­gen, soeben ent­fal­te­ten Blü­ten­köpf­chen mit nicht zu lan­gen Stie­len gepflückt wer­den. Man pflückt mit der Hand oder streift die Köpf­chen mit einem Bee­ren­kamm ab. Stiel­rei­che Ware wird weni­ger gut bezahlt.

Die frisch gepflück­ten Kamil­len erhit­zen sich, in grö­ße­ren Hau­fen zusam­men­lie­gend, unge­mein rasch, gehen in Gärung über, las­sen die gel­ben klei­nen Schei­ben­blü­ten abfal­len und wer­den nach dem Trock­nen miß­far­big. Man soll des­halb die Kamil­len mög­lichst bald nach dem Sam­meln an einem tro­cke­nen Orte in dün­ner Schicht aus­brei­ten und rasch trock­nen. Ganz beson­ders gilt dies, wenn dis Kamil­len eini­ge Stun­den in Säcken oder Kör­ben unter­wegs gewe­sen sind.

Die voll­kom­men tro­cke­nen Kamil­len wer­den in Kis­ten und Fäs­sern, die mit Pack­pa­pier aus­ge­legt sind, auf­be­wahrt und ver­sandt. Beim Ein­fül­len dür­fen die Kamil­len nicht zu sehr gepreßt wer­den. Auf­be­wah­rung und Ver­sen­dung der Kamil­len in Säcken oder Kör­ben ver­schlech­tert die Ware.

Der Kamil­le kommt an Wirk­sam­keit gleich eine ande­re Art von Matri­ca­ria, näm­lich die Matri­ca­ria dis­co­idea (Chry­san­the­mum sua­veo­lens). Die­se Pflan­ze, die erst in den letz­ten Jahr­zehn­ten sich in Mit­tel­eu­ro­pa ver­brei­tet hat und jetzt in den meis­ten Gebie­ten Deutsch­lands an Wegen, auf Dorf­plät­zen und ähn­li­chen Stel­len in gro­ßen Mas­sen auf­tritt, unter­schei­det sich von der ech­ten Kamil­le durch gedrun­ge­ne­ren, nied­ri­ge­ren Wuchs sowie durch ihre rund­li­chen, grün­lich­gel­ben Blü­ten­köp­fe, die ganz ohne wei­ße Strahl­blü­ten sind. Die­se Pflan­ze blüht im Juli bis August. Der Geruch ist eben­so wie bei der ech­ten Kamil­le. Auch die Blü­ten die­ser Pflan­ze soll­ten gesam­melt wer­den; die davon gesam­mel­ten Vor­rä­te dür­fen aber nicht mit denen der ech­ten Kamil­le ver­mischt werden.

Beach­tet beim Sam­meln die in einem beson­de­ren Merk­blatt zusam­men­ge­stell­ten all­ge­mei­nen Regeln. Schont beim Sam­meln die Fel­der und Äcker. Geht nicht beim Sam­meln in die Fel­der hin­ein, sam­melt nur, was am Ran­de steht, reißt nicht die gan­zen Pflan­zen aus, wenn ihr nur die Blü­ten oder Blät­ter zu sam­meln braucht. Beschä­digt die Bäu­me nicht und reißt von ihnen kei­ne Äste ab. Sam­melt nur, wo die Pflan­zen zahl­reich vor­kom­men, laßt ver­ein­zel­te ste­hen, rot­tet sie nicht aus.

Quel­len
Arz­n­ei­pflan­­zen-Mer­k­­blä­t­­ter des Kai­ser­li­chen Gesund­heits­amts /​​ Bearb. in Gemein­schaft mit d. Arz­n­ei­pflan­­zen-Aus­­­schuß d. Deut­schen Phar­ma­zeut. Gesell­schaft Ber­­lin-Dah­­lem. Sprin­ger, Ber­lin, 1917.
wei­te­re Infos
Wun­der­hei­ler Kamil­le: Die Qua­li­tät ist ent­schei­dend für die the­ra­peu­ti­sche Wirkung
Kamil­le: Sie heilt und heilt
Kamil­len­blü­ten Monographie
Wun­der­ba­re Kamille
Kamil­le: Das Uni­ver­sal­mit­tel gegen Entzündungen
Kamil­le: Beschrei­bung einer Rollkur

Bitte Ihre Frage, Anmerkung, Kommentar im folgenden Feld eingeben