Natürlich sind auch Hunde mit von der Partie…
Sind Heilpflanzen und Wildkräuter für Tiere auch geeignet? Diese Frage wird oft gestellt. Denn Menschen, die sich grundsätzlich für pflanzliche Heilmittel interessieren, wollen die als mild geltende Arzneien nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre geliebten Haustiere. Beim LangenTagderStadtnatur [1] treffen sich auch Haustierbesitzer. Sie wollen von der Tierheilpraktikerin Britta Kerger erfahren, welche Pflanzen nützlich und heilsam für ihre Haustiere sind.
Britta Kerger & eine interessierte Hundebesitzerin
Treffpunkt ist die Liegewiese entlang des Halensees und des Autobahnzubringers zur A 100. Trotz der Autobahnnähe wird die Liegewiese von den Anwohnern des Berliner Kiezes als Naherholungsgebiet genutzt. Nackte Sonnenanbeter bevölkern die Wiese oder nutzen das Wasser des noch recht frischen Halensees zur Abkühlung. Kerger hat etwas entfernt vom Freizeitgetümmel ihre Gruppe um sich versammelt. Sie wendet sich an die Tierfreunde und will zunächst einmal wissen, welche Tiere diese zuhause haben: Es sind Katzen- und Hundehalter, Vogel- und Hasenliebhaber dabei.
Spitzwegerich zur Wundheilung
Spitzwegerich: Blätter & Blüten
Kerger braucht nur ein paar Schritte den Hang hinunter zu gehen und steht schon vor einem blühendem Spitzwegerich-Strauch (Plantago lancelotata). “Spitzwegerich hat entzündungshemmende, wundheilende Wirkung”, erklärt Kerger. Die Blätter der Pflanze werden gesammelt, gewaschen und mit einem Mörser angequetscht. Anschließend können die saftigen Spitzwegerichblätter auf größere Wunden von Hunden oder Katzen gelegt werden. Widerborstigen Tieren, die diese Behandlung nicht mögen, kann noch ein lockerer Verband über die saftigen Spitzwegerichblätter gelegt werden, damit diese wenigstens für zehn Minuten auf der Wunde verbleiben. Die Behandlung wird bei größeren Wunden möglichst dreimal täglich wiederholt. So entzünden sich diese nicht. Diese Spitzwegerich-Brei-Umschläge nehmen auch Insektenstichen den Juckreiz – können also auch dafür angewendet werden.
Spitzwegerich-Samen
“Die Samen des Spitzwegerichs sind fett- und schleimhaltig”, fährt Kerger fort. Sie beugt sich zu den Pflanzen und zeigt auf die Spitzwegerich-Köpfchen. Diese können abgeknipst, getrocknet und vom Stängel gerieben werden. Sie kommen ergänzend unter das Vogelfutter. Wobei die Betonung auf ergänzend und kurmässig liegt. Der Spitzwegerich-Samen ist dann sinnvoll, wenn die Vögel beispielsweise einen schwachen Eindruck machen oder sich von einer Erkrankung erholen müssen. Drei Tage lang wird ihnen dann der Samen von drei bis vier Spitzwegerich-Köpfchen in das sonst übliche Futter gemischt.
Sonnengelbes Johanniskraut
Johanniskraut (Hypericum)
Dann führt Kerger die Gruppe ein paar Schritte weiter zu einer intensiv gelb blühenden Heilpflanze. “Seit zehn Jahren besuche ich regelmäßig diese Wiese”, sagt Kerger, “doch erst in diesem Frühjahr entdeckte ich dieses Johanneskraut”. Die gelben Blüten haben einen sonnig-strahlenden Charakter und verbreiten gute Laune. Kein Wunder also, dass die Wirkstoffe von Johanniskraut (Hypericum officinalis) tatsächlich gegen Depressionen oder verschiedene Formen von Niedergeschlagenheit wirken. In gleicher Weise wird die Pflanze bei Tieren eingesetzt. Außerdem hat “Johanniskraut einen Nervenbezug”, so die Tierheilpraktikerin. “Johanniskraut-Öl beispielsweise kann bei Hunden und Katzen entlang der Wirbelsäule aufgebracht werden”, so Kerger. (Herstellung: Johanniskraut-Öl). Sie erklärt, dass das Johanniskraut-Öl in diesem Falle vor allem schmerzlindernde Wirkung hat. Außerdem würden auch mögliche Nervenschmerzen des Rückens positiv mit beeinflußt.
Vorsicht: Bei Hunden mit Leber- oder Gallenblasenerkrankungen dürfen keine Johanniskraut-Anwendungen gemacht werden. Außerdem: Das Öl macht Lichtempfindlich. Tiere mit geschädigtem Fell oder Haut sollten während der Behandlung keiner starken Sonnenstrahlung ausgesetzt werden.
Hopfenzapfen beruhigen
Hopfenzapfen im Herbst
Die Führung Kergers bewegt sich in einem kleinen Radius. Auf dieser Liegewiese gibt es erstaunlich viele Heilpflanzen auf kleinem Raum. Am Uferrand des Halensees hat sich Hopfen (Humulus lupulus) um einen Baum gewickelt. “Erst im Herbst werden die Hopfenzapfen gebildet”, so Kerger. Die Zapfen werden gepflückt und bei normaler Raumtemperatur getrocknet. Wichtig ist, dass die Hopfenzapfen gleichmäßig trocknen und keinen Schimmel ansetzen. Wer erste Erfahrungen sammeln will, wird zunächst einen Versuch mit ein paar Hopfenzapfen starten: Sie werden nicht gewaschen (siehe unten 1), sondern auf ein sauberes Küchenhandtuch in einem warmen Raum zum Trocknen ausgelegt. Die Zapfen werden täglich gewendet bis sie sich knisternd zwischen den Fingern zerreiben lassen. Dann kommen sie in ein lichtdichtes Glas. Wer diesen Aufwand scheut, kann getrocknete Hopfenzapfen auch in der Apotheke zu kaufen. Sie werden zerrieben und unter das Futter gegeben. “Manche Hunde mögen Suppen oder Saucen”, so Kerger. “Dann können die Zapfen auch mitgekocht werden”. Hopfen hat beruhigende Wirkung. Ist also für Hunde und Katzen geeignet, die nervös sind oder zu nervösen Durchfall neigen (vorher vom Tierarzt abklären lassen, ob nichts Organisches vorliegt). Bei trächtigen Tieren regt Hopfen die Milchbildung an.
Wenn die Tiere die zerkleinerten Hopfenzapfen im Futter verweigern, können die Hopfenzapfen in gesüßtem Mehl (mit Wasser anrühren) und dann zu Kügelchen geformt und verfüttert werden.
Dosierungen von Hopfenzapfen hängen von der Größe der jeweiligen Tiere ab. Hunde bekommen jedoch maximal bis zu 8 Gramm, Katzen maximal 4 Gramm Hopfen als tägliche Portionen gefüttert. Zeitraum: Höchstens eine Woche füttern, zum Beispiel vor einem aufregenden Ereignis.
Vogelmiere: Für Vögel ein Genuss
Die nächste Pflanze ist für die Vogelbesitzer interessant. Kerger führt die Gruppe zu einem üppig wachsenden Teppich aus Vogelmiere (Stellaria media). “Wie der Name schon verrät, wird die Vogelmiere sehr gerne von Vögeln – insbesondere Wellensittichen gefressen”, so Kerger. Wer ihnen eine besondere Freude machen will, wäscht die Vogelmiere. Sie wird kopfüber als Sträußchen mit den Wassertropfen in das Volieren Dach gehängt. Die Vögel schätzen die Wassertropfen als kleine Dusch-Abwechslung und haben das Wildkraut zum Fressen gern.
Holunder oder Hollerbusch
Holunderblüten (Nahaufnahme)
Ein Holunderbaum am Rande des Weges ist die nächste Station auf der Führung. Der Baum mit den schönen, weisslichen Doldenblüten stand Legenden nach wegen Nützlichkeit aber auch zum Schutz vor bösen Geistern und anderen Einflüssen in der Nähe der Häuser oder den Ställen. Von der Nützlichkeit des Baumes sind die Menschen auch heute noch angetan: So werden im Frühjahr die Blüten gesammelt, um daraus zum Beispiel Sirup zu machen. Die süßlich schmeckende Blüte können ebenso Grundlage für eine Bowle sein (Links Rezepte). Aus den Blüten kann auch Blütencreme hergestellt werden, als Pfotenschutz für den Winter (siehe Rezept unten 2). Die reifen, tiefdunklen Früchte werden im Herbst von Tieren und Menschen gepflückt. Die Vögel fressen die vitaminreichen Beeren gern (auch für Wellensittiche geeignet). Die Menschen sollten sie hingegen nicht roh genießen. Die Früchte werden gekocht und entsaftet für den Winter. Der schwarze Holunderbeersaft ist nicht nur lecker und vitaminhaltig. Er ‘heizt ordentlich’ ein und kann unterstützend bei Erkältungen getrunken werden (Monographie). “Und: Die Zweige des frischen Holunders eignen sich am besten als Sitzstangen für Vögel. Damit die Vögel gut damit zurecht kommen, können die Holunderzweige vorher leicht geschält werden”, so Kerger.
Unterhalb des Holunderbusches steht die Große Brennnessel (Urtica dioica). Die Brennnessel ist den meisten der Gruppe wegen der stechenden Eigenschaften wohl bekannt. “Die Brennnessel hat ein breites Einsatzspektrum”, so Kerger. Sie wird bei tierischen Stoffwechselerkrankungen eingesetzt, Entzündungen der Harnwege, Ödemen, Gelenkschmerzen oder chronischen Hautleiden.
Brennnessel-Nüsschen
Die Brennnessel kann als Futterzusatz (nur getrocknete Blätter, weil das frische Kraut brennt und kratzt) bei Hunden und Katzen eingesetzt werden. Vögel schätzen die fettreichen Nüsschen (Zusatz zum Futter, nicht alleine füttern!). Die Nüsschen können ab dem Hochsommer mit Hilfe von Handschuhen selber gesammelt werden. Sie können frisch oder auch getrocknet (Wintervorrat anlegen) verfüttert werden (siehe unten 3).
Zum Abschluss lädt Kerger Interessierte ein, sich ein paar Produkte anzusehen. Sie hat einige Öle oder Tinkturen hergestellt, die sie zum Selbstkostenpreis abgibt.
Anwendung Tee:
Vier Gramm getrocknete Brennnesselblätter mit 150 Milliliter heißem Wasser überbrühen. 10 Minuten ziehen lassen. Die Brennnessel-Blätter abseihen, den Tee kalt werden lassen. Später dem Trinkwasser hinzufügen (1 Teil Tee, 1 Teil frisches Wasser). Häufiger anbieten.
- Die Hopfenzapfen werden nicht gewaschen, sondern gleich auf ein sauberes Küchenhandtuch ausgebreitet. Bei Zimmertemperatur werden sie getrocknet und immer wieder gedreht, bis sie knisternd zerfallen. Zuletzt werden sie in einem lichtgeschützten Glas aufbewahrt. Lagerzeit ein Jahr, nicht länger, weil dann die Wirkstoffe verflogen sind.
- Eine Hand voll Holunderblüten auf 100 Gramm Ghee (Butterfett, kann in indischen Läden gekauft werden). Das Ghee wird bei schwacher Hitze aufgelöst, die Holunderblüten werden von den Dolden gezupft (nicht waschen) und ins flüssige Ghee gegeben. In braune Gläser gießen (lichtdicht), gut verschließen. Im Winter verbrauchen.
- Wichtig beim Sammeln von Wildkräutern: Es werden immer nur die einwandfreien Blätter, Blüten oder Früchte gesammelt. Es sollten weder Blätter mit Insektenfraß dabei sein, noch Früchte, die entweder vertrocknet oder verschimmelt sind. Außerdem müssen beim Sammeln Orte aufgesucht werden, die unbedenklich sind. Das heisst, Wildpflanzen werden nur fernab von großen Autobahnen, Straßen, Hundewiesen oder überdüngten Feldern (Pestizide oder Gülle) gesammelt.
[1] Die Stiftung Naturschutz Berlin veranstaltet seit 2006, jeweils im Juni ein “Natur-Wochenende”. Bürgerinitiativen, Vereine, Stadtgruppierungen oder auch Privatleute richten ein buntes Programm rund um die Natur innerhalb der Stadt aus.
Weitere Infos: www.langertagderstadtnatur.de
Veranstalterin dieser Führung: Britta Kerger, Tierheilpraktikerin mit Weiterbildung in Pflanzenheilkunde, Fachkundige für optimierte Tierhaltung.
Weitere Infos: www.tierheilpraxis-britta-kerger.de
Autorin
• Marion Kaden, Heilpflanzen-Welt (2012).