Positives Denken

Die Stra­te­gie des posi­ti­ven Den­kens ist eine Ent­wick­lung der moder­nen Psy­cho­the­ra­pie. Sie ent­stand aus der Beob­ach­tung, daß streß­ge­plag­te und stark belas­te­te Men­schen zum Pes­si­mis­mus nei­gen und ihre Lage dadurch noch ver­schlim­mern. Das heißt, daß ihre nega­ti­ve Grund­hal­tung ihnen geis­tig und see­lisch die Kraft ent­zieht, die sie für die Bewäl­ti­gung der täg­li­chen Auf­ga­ben brau­chen. Außer­dem nei­gen Pes­si­mis­ten dazu, Feh­ler bei sich selbst zu suchen. Sie hal­ten sich schließ­lich für unzu­läng­lich und wer­den durch den see­li­schen Druck krank. Bei labi­len Men­schen besteht die Gefahr, daß sie sich in eine Sucht zu flüchten.

Posi­ti­ves Den­ken will die nega­ti­ve Grund­hal­tung des Men­schen ändern. Im The­ra­pie­ge­spräch wird der The­ra­peut zunächst ver­su­chen, den Grund­ty­pus sei­nes Pati­en­ten zu analysieren.

Die ein­fa­che und spon­ta­ne Beur­tei­lung der Fra­ge, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist, sagt schon viel über sei­nen Grund­ty­pus aus. Dann gilt es zu klä­ren, ob der Pati­ent gene­rell dazu neigt, pes­si­mis­tisch zu sein oder ob ihn sei­ne momen­ta­ne Lebens­la­ge zur nega­ti­ven Ein­stel­lung ver­lei­tet. Die­ser Tat­sa­che muß die The­ra­pie Rech­nung tragen.
Der The­ra­peut wird ver­su­chen, ver­schie­de­ne, erleb­te All­tags­si­tua­tio­nen und die Reak­ti­on des Pati­en­ten dar­auf zu ana­ly­sie­ren und ihm ande­re Reak­ti­ons­vor­schlä­ge anbie­ten. Nach und nach soll der Pati­ent ler­nen, nega­ti­ve Situa­tio­nen posi­tiv zu erklä­ren und schnell abzu­ha­ken. Bei­spiel: Der Ehe­mann sto­chert mit­tags in sei­nem Essen her­um, redet nicht viel und geht wort­los wie­der zur Arbeit. Die Ehe­frau macht sich Vor­wür­fe: Mein Essen schmeckt ihm nicht, mei­ne Gesell­schaft paßt ihm nicht…Sie könn­te jedoch auch sagen: Er hat sicher Ärger im Büro. Na ja, viel­leicht ist er heu­te abend wie­der bes­ser gelaunt. Ein schnel­les posi­ti­ves Ein­ord­nen und “able­gen” der Situa­ti­on wür­de sie geis­tig und see­lisch weni­ger belas­ten, und sie hät­te genü­gend Kraft für die wei­te­ren Auf­ga­ben des Tages. Auch wer sich z. B. vor einem Vor­stel­lungs­ge­spräch sagt: “Das schaf­fe ich sowie­so nicht”, wird so ver­krampft sein, daß ihn der Chef für unfä­hig hält. Mit dem posi­ti­ven Gedan­ken “Ich bin für den Job qua­li­fi­ziert” wür­de der Bewer­ber siche­rer auf­tre­ten und als kom­pe­tent eingeschätzt.
Im Wett­kampf- und Hoch­leis­tungs­sport gehört posi­ti­ves Den­ken bereits zum men­ta­len Trai­ning. Ein Sport­ler, der sich durch einen Punkt­ver­lust wäh­rend eines Spiels “her­un­ter­zie­hen” läßt, hat kaum Aus­sicht, das Spiel doch noch zu gewin­nen. Er wird ver­krampft und nicht mehr in der Lage sein, Ener­gie­re­ser­ven zu mobi­li­sie­ren. Hakt er den Punkt­ver­lust geis­tig jedoch schnell ab, hat er neue Kraft zur Leistungssteigerung.

Die psy­cho­so­ma­ti­sche Medi­zin ist davon über­zeugt, daß sich posi­ti­ves Den­ken erler­nen läßt. In The­ra­pie­ge­sprä­chen wird der Pati­ent auf­ge­for­dert, immer eine posi­ti­ve Erklä­rung für eine Sitau­ti­on zu suchen. Die ein­zel­nen Erfah­run­gen im All­tag tra­gen dann nach und nach ent­schei­dend zum Erfolg bei (das “lear­ning by doing”-Prinzip). The­ra­peu­ten war­nen jedoch davor, sich eine “rosa­ro­te Bril­le” auf­zu­set­zen und alles nur posi­tiv sehen zu wol­len. Denn auch posi­ti­ves Den­ken ver­langt nach einer Grund­la­ge, auf die sich auf­bau­en läßt. Unrea­lis­ti­sche Vor­stel­lun­gen las­sen sich selbst mit posi­ti­ven Gedan­ken nicht verwirklichen.

Quel­le
© Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Honos Ver­la­ges, Köln, 2010.

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