Schädigt Gift in harmlosen Naturmedikamenten ungeborene Kinder?

Nicht nur die Wirk­stof­fe von Medi­ka­men­ten haben oft Neben­wir­kun­gen, son­dern auch Hilfs­stof­fe der Zube­rei­tung eines Mit­tels. Aktu­ell steht erneut ein sol­che che­mi­sche Sub­stanz­grup­pe im Kreuz­feu­er der Kri­tik, näm­lich die Sal­ze der Phthal­säu­re, Dibu­tyl-Phtha­lat (DBP) oder Diethyl-Phtha­lat (DEP), kurz auch Phtha­la­te genannt. Die Phtha­la­te sind Weich­ma­cher von Arz­nei­mit­tel-Hüll­stof­fen, die ver­hin­dern, dass Wirk­stof­fe nicht im sau­ren Magen zer­stört, son­dern erst im Darm frei­ge­setzt werden.

Seit Jah­ren schon wer­den Phtha­la­te ange­schul­digt, Leber, Nie­ren oder Fort­pflan­zungs­or­ga­ne zu schä­di­gen. Viel schlim­mer aber: Phtha­la­te füh­ren auch zu ver­rin­ger­tem Geburts­ge­wicht, Miss­bil­dung der inne­ren und äuße­ren Geschlechts­or­ga­ne, abnor­ma­ler oder ver­rin­ger­te Sper­mi­en­bil­dung – und wer­den EU-weit des­halb als “fort­pflan­zungs­ge­fäh­rend” ein­ge­stuft, dür­fen nicht in Spiel­zeug, Baby­ar­ti­keln oder Kos­me­ti­ka vor­kom­men. Die Stof­fe sind jedoch in Arz­nei­mit­teln erlaubt!

In einem aktu­el­len Test von Öko-Test zeigt sich jetzt: 76 unter­such­te rezept­pflich­ti­ge oder rezept­freie Arz­nei­mit­tel quer durch alle Anwen­dungs­ge­bie­te (Magen-Darm, Herz-Kreis­lauf, Atem­we­ge, Ner­ven­sys­tem, Schmer­zen, Pro­sta­ta, Vitamine/​Mineralstoffe, Venen­mit­tel, Wech­sel­jah­re) ent­hiel­ten alle Phtha­la­te [1]. Ent­we­der Dibu­tyl-Phtha­lat oder Diethyl-Phtha­lat war in allen Prä­pa­ra­ten ent­hal­ten, in einem Medi­ka­ment fand Öko-Test sogar bei­de For­men. Das ist eine bit­te­re Pil­le, denn Phtha­la­te sind durch­aus ersetz­bar. Und: Zahl­rei­che wei­te­re, von Öko-Test nicht geprüf­te Mit­tel ent­hal­ten eben­falls die­sen über­flüs­si­gen, unter Umstän­den krank­ma­chen­den Hilfs­stoff [2].

Beson­ders scho­ckie­rend: Selbst zahl­rei­che natür­li­che Arz­nei­mit­tel, deren Ein­nah­me wäh­rend der Schwan­ger­schaft als risi­ko­frei bezeich­net wird, ent­hal­tend die frucht­schä­di­gen­den Phtha­la­te! Da die Ver­öf­fent­li­chung gemel­de­ter Arz­nei­mit­tel-Schä­den durch das Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um (Minis­te­rin Ulla Schmidt) fast aus­nahms­los ver­hin­dert wird, ist das Aus­maß von Phtha­lat-Schä­den an Unge­bo­re­nen bei uns unbe­kannt. Zahl­rei­che Prä­na­tal­me­di­zi­ner und Kin­der­ärz­te schät­zen die Gefahr jedoch als bedeu­tend ein. Dies bedeutet:

  • Schwan­ge­re soll­ten Medi­ka­men­te (ob selbst gekauft oder vom Arzt ver­ord­net) nur dann ver­wen­den, wenn es medi­zi­nisch unbe­dingt not­wen­dig ist (das heißt, wenn die Behand­lung unab­ding­bar für die Gesund­heit von Mut­ter und unge­bo­re­nem Kind ist) . Bei leich­ten Ver­dau­ungs­pro­ble­men, Schnup­fen, Erkäl­tung, leich­ten Kopf­schmer­zen oder ähn­li­chem soll­ten Schwan­ge­re voll­stän­dig auf Arz­nei­mit­tel-Ver­wen­dung ver­zich­tet werden.
  • Grund­sätz­lich soll­ten Käufer/​Verwender von Arz­nei­mit­teln dar­auf drän­gen, Phtha­lat-freie Arz­nei­mit­tel zu bekom­men. Vie­le Her­stel­ler ver­wen­den den Hilfs­stoff schon seit Jah­ren nicht mehr, ande­re stel­len der­zeit ihre Pro­duk­ti­on um. Für vie­le Prä­pa­ra­te sind Alter­na­ti­ven vor­han­den. Ansprech­part­ner sind Arzt und Apo­the­ker. Die­se müs­sen sich – wenn nötig – bei dem Her­stel­ler oder in einer Fach­da­ten­bank kun­dig machen.
  • Auch pflanz­li­che oder ande­re alter­na­tiv­me­di­zi­ni­sche Heil­mit­tel kön­nen mög­li­cher­wei­se schä­di­gen­de Hilfs­stof­fe ent­hal­ten. Öko-Test hat eini­ge iden­ti­fi­ziert, die sogar recht häu­fig ver­wen­det wer­den. Eine Aus­weich-Mög­lich­keit kann der Aus­tausch von Kap­sel-Zube­rei­tun­gen oder Tablet­ten mit ver­zö­ger­ter Frei­set­zung durch flüs­si­ge Pflan­zen­ex­trak­te (Trop­fen, Frisch­pflan­zen-Press­saft und ande­res) sein.
  • Beson­ders Schwan­ge­re, Müt­ter von klei­nen Kin­dern oder Men­schen mit chro­ni­schen Gesund­heits­pro­ble­men kön­nen – in Abspra­che mit Ärz­ten oder Apo­the­kern, die in Heil­pflan­zen-The­ra­pie erfah­ren und qua­li­fi­ziert sind – oft­mals auch selbst her­ge­stell­te Heil­pflan­zen-Extrak­ten ver­wen­det. Am häu­figs­ten wer­den indi­vi­du­ell zusam­men­ge­stell­te Heil­pflan­zen-Tees oder Tee­mi­schun­gen verwendet.
  • Im Inter­es­se hoch­wer­ti­ger pflanz­li­cher Arz­nei­mit­tel soll­ten Ver­brau­cher direkt an Her­stel­ler schrei­ben und unbe­las­te­te Prä­pa­ra­te fordern.

Zusatz-Informationen

Ver­brau­cher: Infor­ma­tio­nen zu Phtha­la­ten in Arz­nei­mit­teln und eine regel­mä­ßig aktua­li­sier­te Arz­nei­mit­tel­lis­te: Drei-Eichen-Apo­the­ke, Baden-Baden. www.drei-eichen-apotheke.de/arzneimittel

Apo­the­ker: Daten­bank der Bun­des­ver­ei­ni­gung Deut­scher Apo­the­ker­ver­bän­de (ABDA).

Ärz­te: DIMDI Pharm­Se­arch (www.dimdi.de, kos­ten­frei nach Registrierung).

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2006).
Quel­len
1. Stei­nert J: Phtha­lat­hal­ti­ge Arz­nei­mit­tel – Lasst die Hül­len fal­len! Öko-Test, Heft 3, März 2006.
2. Update 8. März 2006: Das Deut­sche Insti­tut für Medi­zi­ni­sche Doku­men­ta­ti­on und Infor­ma­ti­on (DIMDI) ver­zeich­net für die Hilfs­stof­fe Dibu­­tyl-Phtha­lat (DBP) 137 Arz­nei­mit­tel (im natur­heil­kund­li­chen Bereich z. B. Gel­o­myr­tol, Muta­flor, Pini­men­thol, Ven­osta­sin) und für Diethyl-Phtha­lat (DEP) 106 Arz­nei­mit­tel (im natur­heil­kund­li­chen Bereich z. B. Bro­me­lain POS, Phy­t­oes­trol, Zin­ko­ro­tat). Der größ­te Teil der Prä­pa­ra­te stammt jedoch aus dem “schul­me­di­zi­ni­schen” Bereich, ent­hält also che­misch defi­nier­te Substanzen.

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