Cichorium L.

Cicho­ri­um L. (Weg­wart, Zicho­rie), Gat­tung der Kom­po­si­ten, gespreizt ästi­ge, ein- oder mehr­jäh­ri­ge Kräu­ter mit fie­der­spal­ti­gen oder grob gezahn­ten Blät­tern, ziem­lich gro­ßen blau­blü­ti­gen Köp­fen und fast fünf­kan­ti­gen, kah­len Ache­nen. 7–8 Arten im Mit­tel­meer­ge­biet bis Abes­si­ni­en. C. Endi­via L., 60–150 cm hoch, fast kahl, mit buch­tig gezahn­ten Blät­tern und paa­ri­gen Blü­ten­stie­len, soll aus Ost­in­di­en stam­men, ist aber viel­leicht eine Kul­tur­form von C. diva­ri­ca­tum Schonsb. im Mit­tel­meer­ge­biet. Sie wird häu­fig in Gär­ten kul­ti­viert, indem man die grund­stän­di­gen, locke­re Roset­ten bil­den­den und meist zu Köp­fen zusam­men­schlie­ßen­den Blät­ter, beson­ders von der krau­sen Varie­tät (C. cris­pum Mill.), zu Salat benutzt. Die Blät­ter wer­den gewöhn­lich durch Licht­ent­zie­hung gebleicht und sind dann unge­mein zart, aber immer här­ter und star­rer als Kopf­sa­lat. C. Inty­bus L. (Zicho­rie, Feld­weg­wart, Son­nen­wen­de), bis 1,25 m hoch, mit schrot­sä­ge­zäh­ni­gen Wur­zel- und lan­zett­li­chen Sten­gel­blät­tern und kurz­ge­stiel­ten blau­en Blü­ten, fin­det sich in Euro­pa und im gemä­ßig­ten Asi­en, viel­fach in andern Gegen­den ein­ge­bür­gert. Ihre lan­ge, moh­ren­för­mi­ge Wur­zel (Weg­lun­gen­wur­zel) schmeckt unan­ge­nehm bit­ter und ist getrock­net geruch­los. Sie wird arz­nei­lich benutzt und bil­det, mit Zucker ein­ge­macht, die Hind­läuf­te der Kon­di­to­ren. Das Kraut ist ein gutes Vieh­fut­ter und dient jung als Salat. Für die­sen Zweck kul­ti­viert man den Brüs­se­ler Wit­loof und den Kapu­zi­ner­bart (Bar­be du capu­cin), des­sen Wur­zeln, in einem dun­keln Kel­ler in Pfer­de­dün­ger ein­ge­pflanzt, farb­lo­se, äußerst zar­te Blät­ter trei­ben (chi­co­rée). In gro­ßem Maß­stab kul­ti­viert man die Zicho­rie, um die Wur­zel als Kaf­fee­sur­ro­gat zu benut­zen, beson­ders im Mag­de­bur­gi­schen, Braun­schweig, Schle­si­en, Würt­tem­berg (im Deut­schen Reich auf 11,000 Hekt­ar), Bel­gi­en, Frank­reich, Hol­land, Böh­men, Ungarn, Däne­mark, Ruß­land etc. Die kul­ti­vier­te Wur­zel (Gewicht 2–400 g) ist stär­ker als die wild gewach­se­ne, flei­schig, mit ver­hält­nis­mä­ßig brei­ter Rin­de. Sie ent­hält außer einem Bit­ter­stoff und Spu­ren von Gerb­stoff 3–6 Proz. Zucker, 12–24 Proz. stick­stoff­freie (viel Inu­lin), 2–4 Proz. stick­stoff­hal­ti­ge orga­ni­sche Sub­stanz und 2–5 Proz. Was­ser. Die fri­sche Wur­zel wird auch als Bei­ga­be zum Vieh­fut­ter benutzt, um den Stoff­wech­sel anzu­re­gen, doch erre­gen grö­ße­re Gaben einen rausch­ar­ti­gen Zustand. Zur Berei­tung des Kaf­fee­sur­ro­gats (deut­scher Kaf­fee) wer­den die Wur­zeln gewa­schen, zer­schnit­ten, getrock­net, dann in eiser­nen Trom­meln gerös­tet und auf Kol­ler­gän­gen, Schei­ben­müh­len oder Schlag­müh­len gemah­len. Zusatz von
1–5 Proz. Sesam- oder Erd­nuß­öl beim Rös­ten ver­bes­sert Geruch und Geschmack. Das Mehl wird in Dampf­kam­mern feucht gemacht und bil­det dann eine fes­te, brö­cke­li­ge Mas­se, die in Pake­ten ver­packt wird. Sie ist braun oder braun­schwarz und gibt an Was­ser 67 Proz. lös­li­che Bestand­tei­le ab, die das­sel­be dun­kel fär­ben und ihm einen bit­tern, zugleich süß­li­chen Geschmack mit­tei­len. Sie ent­hält in der Tro­cken­sub­stanz 7–8 Proz. Stick­stoff, 29–21 Proz. Zucker, 47–48 Proz. Inu­lin. Man benutzt die Zicho­rie als Zusatz zum Kaf­fee, in Bel­gi­en, Frank­reich und Süd­eu­ro­pa wird auch ein Aus­guß ohne Kaf­fee getrun­ken. Von den wirk­sa­men Bestand­tei­len des Kaf­fees ent­hält Zicho­rie nichts, nur das brenz­li­ge, durch das Rös­ten ent­wi­ckel­te Ö ist allen­falls ent­fernt mit dem Aro­ma des Kaf­fees zu ver­glei­chen. Man darf daher auch nicht die Wir­kun­gen des Kaf­fees von der Zicho­rie erwar­ten; dage­gen soll sie bei anhal­ten­der Benut­zung auf die Ver­dau­ung nach­tei­lig ein­wir­ken. Zicho­ri­en­kaf­fee wird mit gerös­te­ten Run­kel­rü­ben­preß­lin­gen, auch mit Zie­gel­mehl, Ocker, Ton etc. ver­fälscht. Zicho­ri­en­wur­zeln wur­den seit mehr als 100 Jah­ren in Haus­hal­tun­gen am Nord­ran­de des Har­zes gerös­tet, um sie als Kaf­fee­sur­ro­gat zu benut­zen. Um 1763 lenk­ten Förs­ter und Major v. Hei­ne die Auf­merk­sam­keit auf dies Prä­pa­rat, und nach 1790 began­nen Braun­schwei­ger und Mag­de­bur­ger Kauf­leu­te Zicho­ri­en­kaf­fee für den Han­del her­zu­stel­len. Zu Anfang des 19. Jahrh. wur­de die ers­te Fabrik errich­tet, die beson­ders wäh­rend der Kon­ti­nen­tal­sper­re ihr Fabri­kat bei der armen Bevöl­ke­rung ein­zu­bür­gern ver­moch­te. Gegen­wär­tig besitzt das Deut­sche Reich über 100, Euro­pa 450 Zicho­ri­en­fa­bri­ken. Deutsch­land lie­fert für rund 9 Mill. Mk. Roh­stof­fe und für 18 Mill. Mk. Fabri­ka­te. Die Ein­fuhr betrug 1902 qu Roh­stof­fen 75,368, an Fabri­ka­ten 18,184 dz, die Aus­fuhr an Roh­stof­fen 13,617, an Fabri­ka­ten 7641 dz.

Vgl. Fries, Prak­ti­sche Anlei­tung zum Kaf­fee­zi­cho­ri­en­bau (2. Aufl., Stuttg. 1886).

Quel­le
Mey­ers Gro­ßes Kon­­­ver­­­sa­­ti­ons-Lexi­­kon (Sechs­te Auf­la­ge). Ein Nach­schla­ge­werk des all­ge­mei­nen Wis­sens. Sechs­te, gänz­lich neu­be­ar­bei­te­te und ver­mehr­te Auf­la­ge. Mit mehr als 16,800 Abbil­dun­gen im Text und auf über 1500 Bil­der­ta­feln, Kar­ten und Plä­nen sowie 160 Text­bei­la­gen. Leip­zig und Wien: Biblio­gra­phi­sches Insti­tut, 1905–1909 (Infos).