Cinchona L.

Cin­cho­na L. (Chi­na­rin­den­baum, Fie­ber­rin­den­baum), Gat­tung der Rubia­ze­en, benannt nach der Grä­fin von Chin­chon, Gemah­lin des Vize­kö­nigs von Peru, höchst ele­gan­te, kah­le oder fil­zig behaar­te Bäu­me oder Sträu­cher mit gegen­stän­di­gen, ellip­ti­schen oder lan­zett­li­chen, meist leder­ar­ti­gen, ganz­ran­di­gen, gestiel­ten, oft auf der Unter­sei­te pur­pur­ro­ten Blät­tern, rosa­ro­ten oder gelb­lich­wei­ßen, wohl­rie­chen­den Blü­ten in end­stän­di­gen, dekus­siert ästi­gen, oft ansehn­li­chen Blü­ten­ris­pen, zwei­fä­che­ri­gen, viel­sa­mi­gen Kap­seln und zusam­men­ge­drück­ten, klei­nen, rings­um geflü­gel­ten Samen. Etwa 30–40 schwer von­ein­an­der zu tren­nen­de Arten, mit Spiel­ar­ten und Bas­tar­den, wach­sen in den Kor­dil­le­ren von Süd­ame­ri­ka von 10° nördl. bis etwa 19° südl. Br.; der eigent­li­che Mit­tel­punkt der bes­ten Cin­cho­nen (Cas­ca­ril­los finos) ist aber die Pro­vinz Loxa im süd­lichs­ten Teil von Ecua­dor von 7° nördl. bis 15° südl. Br. Sie lie­ben ein wech­sel­vol­les, feuch­tes Kli­ma und eine mitt­le­re Tem­pe­ra­tur von 12–20° und fin­den die­se kli­ma­ti­schen Ver­hält­nis­se beson­ders in einem Höhen­gür­tel von 1600–2400 m, doch kommt C. suc­ci­ru­bra Pm. noch bei 800 mund C. offi­ci­na­lis Hook. fil., wenn auch krüp­pe­lig, bei 3300 m vor. Dem Cha­rak­ter der tro­pi­schen Vege­ta­ti­on ent­spre­chend wach­sen die Cin­cho­nen meist zer­streut, höchs­tens da und dort zu klei­nen Grup­pen ver­ei­nigt, und nur C. corym­bo­sa Kars­ten bil­det wald­ar­ti­ge Bestän­de. C. Led­ge­ria­na Moens. (C. Cali­saya Wedd. var. Led­ge­ria­na Haw.). C. suc­ci­ru­bra Pav., ein Baum von 15–25 m Höhe, des­sen aus der ver­letz­ten Rin­de aus­quel­len­der, mil­chi­ger Saft bald inten­siv rot wird (daher der Name), mit 50 cm lan­gen, krau­ti­gen, breit ellip­ti­schen Blät­tern, pyra­mi­da­ler Ris­pe, pur­pur­nem Kelch, rosa­ro­ten Blü­ten und sehr lan­gen Kap­seln, wächst in Ecua­dor, beson­ders im Gebirgs­stock des Chim­bo­ra­zo, bei 800‑1500 m See­hö­he und wird nament­lich auf Cey­lon und Java viel kul­ti­viert. Sie lie­fert die vom deut­schen Arz­nei­buch vor­ge­schrie­be­ne Rin­de. C. offi­ci­na­lis Hook. al., ein 10–15 m hoher Baum mit fast eiför­mi­ger Kro­ne, 5–12 cm lan­gen, ei-lan­zett­li­chen oder lan­zett­li­chen Blät­tern, fast dol­den­trau­bi­ger Ris­pe und rosen­ro­ten Blü­ten, wächst in Ecua­dor, Pro­vinz Loxa, bei 1600–2400 m See­hö­he und ist sehr veränderlich.

Die­se Arten lie­fern haupt­säch­lich die Chi­na­rin­den, die nament­lich wegen ihres Gehalts an Chi­nin und Cin­cho­nin zu den vor­züg­lichs­ten Arz­nei­mit­teln gehö­ren. Das Holz ent­hält nur Spu­ren die­ser Kör­per neben viel Chi­no­vin und ist tech­nisch nicht brauch­bar. Die Blät­ter schme­cken säu­er­lich bit­ter, rie­chen tee­ähn­lich und ent­hal­ten wenig Alka­lo­ide, aber bis 2 Proz. Chi­no­vin. Die Blü­ten schme­cken bit­te­rer als die Blät­ter, aber in den ange­nehm schme­cken­den wäs­se­ri­gen Aus­guß geht die­se Bit­ter­keit nicht über. Bei dem nicht eigent­lich mas­sen­haf­ten Auf­tre­ten der Cin­cho­nen und ihrer rück­sichts­lo­sen Aus­beu­tung erwuchs berech­tig­te Befürch­tung wegen der gänz­li­chen Aus­rot­tung der kost­ba­ren Bäu­me; man ging des­halb zu einem vor­sich­ti­gern Ver­fah­ren über und bemüh­te sich nament­lich um Über­sie­de­lung der Cin­cho­nen nach andern Län­dern. Nach­dem Con­da­mi­nes Bemü­hun­gen, leben­de Cin­cho­nen nach Euro­pa zu brin­gen, miß­glückt waren, gelang es Wed­dell, Samen her­bei­zu­schaf­fen, die in Paris keim­ten. 1851 kamen durch Ver­mit­te­lung der Jesui­ten Cin­cho­nen nach Alge­ri­en, doch hat­ten die Akkli­ma­tis­a­ti­ons­ver­su­che hier und 1866 auf Réuni­on kei­nen nen­nens­wer­ten Erfolg. Auf Miquels Ver­an­las­sung schick­te der hol­län­di­sche Kolo­ni­al­mi­nis­ter Pahud 1852 den Bota­ni­ker Haß­karl nach Süd­ame­ri­ka, dem es 1854 gelang, in Ward­schen Kas­ten jun­ge C.-Pflänzlinge nach Bata­via zu brin­gen und Samen nach Hol­land zu schi­cken. 1852 kauf­ten die Hol­län­der C. Cali­saya von einem Pari­ser Han­dels­gärt­ner und sie­del­ten sie auf Java an; Kars­ten brach­te 1854 Samen der C. lan­ci­fo­lia var. dis­co­lor dort­hin, und bald lie­fer­ten auch die Haß­karlschen Samen kräf­ti­ge Pflan­zen. 1876 besaß man bereits über 2 Mill. Cin­cho­nen. Seit 1859 bemüh­ten sich die Eng­län­der, Cin­cho­nen in Indi­en zu kul­ti­vie­ren. Sie erhiel­ten nament­lich durch Mark­ham ungleich wert­vol­le­re alka­lo­id­rei­che Arten, die zunächst in Utaka­mand ange­pflanzt wur­den. Wei­te­re Ansie­de­lun­gen wur­den begon­nen 1861 in Hak­gal­la im zen­tra­len, bis 1570 m anstei­gen­den Gebirgs­land Cey­lons, 1862 in Dard­schi­ling, im süd­li­chen Teil von Sik­kim, im süd­öst­li­chen Hima­la­ja, 1865 in Neu­see­land und 1866 auf dem aus­tra­li­schen Kon­ti­nent in Bris­bane (Queens­land). In West­in­di­en hat nament­lich Jamai­ka Erfolg mit der Cin­cho­nen­kul­tur gehabt, die aber auch in Boli­via und Ecua­dor ein­ge­führt wor­den ist. Schon 1867 gelang­ten die ers­ten indi­schen Rin­den auf den eng­li­schen Markt und aus Java 1870 die ers­ten Sen­dun­gen nach Ams­ter­dam. Durch die Kul­tur ist der Chi­nin­ge­halt der Rin­den mehr­fach stark­ge­stei­gert wor­den. C. offi­ci­na­lis, die in Ame­ri­ka arm an Alka­lo­iden ist, erzeugt auf Java Rin­den mit 4,6 Proz., und C. Led­ge­ria­na hat Rin­de mit 12,5 Proz. Alka­lo­iden, wovon 11,6 Proz. Chi­nin sind.

Das Wort Qui­na (Rin­de) gehört der Inka­spra­che an; aber es scheint, daß die frü­hes­te Kennt­nis der Chi­na auf die Gegend von Loxa beschränkt geblie­ben war. Dort soll 1630 der spa­ni­sche Cor­re­gi­dor von Loxa durch Chi­na­rin­de vom Wech­sel­fie­ber geheilt wor­den sein, und als nun 1638 die Gemah­lin des Vize­kö­nigs von Peru, Gra­fen von Chin­chon, in Lima am Fie­ber erkrank­te, sand­te jener Cor­re­gi­dor Chi­na­rin­de an den Arzt Juan de Vega, dem es gelang, die Grä­fin damit zu hei­len (daher Grä­fin­pul­ver). Durch Vega kam die Rin­de 1639 nach Spa­ni­en; 1643 erhielt der Kar­di­nal de Lugo in Rom Chi­na­rin­de aus Peru, so daß Rom der ers­te Sta­pel­platz des Mit­tels wur­de, das nun als Jesui­ten­pul­ver wei­te­re Ver­brei­tung fand. 1655 gelang­te die Rin­de nach Eng­land, und 1663 fand sie sich auch in deut­schen Apo­the­ken. Über die Stamm­pflan­ze der Chi­na­rin­de berich­te­te zuerst Con­da­mi­ne, der 1737 bei Loxa die jetzt als C. offi­ci­na­lis var. und Con­da­mi­nea bekann­ten Pflan­zen sam­mel­te und eine Beschrei­bung nebst Abbil­dung 1740 der Pari­ser Aka­de­mie vor­le­gen ließ. I. de Jus­sieu sam­mel­te 1739 bei Loxa die spä­ter als C. pube­s­cens bezeich­ne­te Art, und 1742 stell­te dann Lin­né die Gat­tung C. auf. Durch Mutis, Ruiz und Pavon wur­de die wei­te­re Ver­brei­tung der Cin­cho­nen in den Kor­dil­le­ren bekannt, wodurch all­mäh­lich um 1785 Mit­tel- und Süd­pe­ru und Neu­gra­na­da mit Loxa in Kon­kur­renz tra­ten. Die bota­ni­sche und phar­ma­ko­gnos­ti­sche Erkennt­nis der Chi­na­rin­den wur­de beson­ders durch H. v. Ber­gen, Schlei­den, Delond­re und Bou­chardat (1826), Berg, Wed­dell, Howard u. a. gefördert.

Vgl. Wed­dell, His­toire natu­rel­le des quin­qui­nas (Par. 1849; deutsch, Wien 1865); Der­sel­be, Notes sur les quin­qui­nas (deutsch von Flü­cki­ger, Schaffh. 1870); Delond­re und Bou­chardat, Qui­no­lo­gie (Par. 1854); Howard, Illus­tra­ti­ons of the Nue­va Qui­no­lo­gia of Pavon (Lond. 1862; deutsch, das. 1862); Der­sel­be, Qui­no­lo­gy of the East India plan­ta­ti­ons (das. 1869 u. 1876, 3 Bde.); Schrif­ten von C. R. Mark­ham: The C. spe­ci­es of New Gra­na­da (das. 1867), Notes on the cul­tu­re of Cin­cho­nas (das. 1859), Account of Peru­vi­an bark and its intro­duc­tion into Bri­tish India etc. (das. 1880); Plan­chon, Des quin­qui­nas (Par. u. Mont­pel­lier 1864); Berg, Die Chi­na­rin­den der phar­ma­ko­gnos­ti­schen Samm­lung zu Ber­lin (Berl. 1865); Mar Ivor, Cul­ti­va­ti­on of Cin­cho­nae in India (Madr. 1863); Gor­kom, Die Chi­na­kul­tur auf Java (aus dem Hol­länd. von Haß­karl, Leipz. 1869); King, A manu­al of C. cul­ti­va­ti­on in India (Kal­kut­ta 1876); Kunt­ze, Cin­cho­na. Arten, Hybri­den und Kul­tur der Chi­n­a­bäu­me (Leipz. 1878); Flü­cki­ger, Die Chi­na­rin­den in phar­ma­ko­gnos­ti­scher Hin­sicht dar­ge­stellt (Berl. 1882); Der­sel­be, Die Phar­ma­ko­gno­sie des Pflan­zen­reichs (3. Aufl., das. 1891); Léger, Les alcaloïdes des quin­qui­nas (Par. 1896).

Quel­le
Mey­ers Gro­ßes Kon­­­ver­­­sa­­ti­ons-Lexi­­kon (Sechs­te Auf­la­ge). Ein Nach­schla­ge­werk des all­ge­mei­nen Wis­sens. Sechs­te, gänz­lich neu­be­ar­bei­te­te und ver­mehr­te Auf­la­ge. Mit mehr als 16,800 Abbil­dun­gen im Text und auf über 1500 Bil­der­ta­feln, Kar­ten und Plä­nen sowie 160 Text­bei­la­gen. Leip­zig und Wien: Biblio­gra­phi­sches Insti­tut, 1905–1909 (Infos).