In den mittleren Breitengraden Europas und Asiens, teilweise auch Nordamerikas (nördlich des 40. Breitengrades: New York – Madrid – Peking), wird die Vegetation immer grüner und grüner, glaubt man US-Forschern der Boston University (Earth’s becoming a greener Greenhouse). Zudem soll die Wachstumsperiode der Pflanzen während der letzten 20 Jahre um bis zu 18 Tagen pro Jahr länger geworden sein. Doch die von den Klimaforschern verwendeten Mess-Methoden liefern nur statistische Hinweise auf mögliche Wachstumsveränderungen – stimmige Beweise liefern sie nicht.
Im Wesentlichen wurden Satellitenmessungen als Datenmaterial verwendet. Ihr Prinzip basiert darauf, dass auf Grund des reflektierenden Lichtes bestimmter Wellenlänge Aussagen über die Dichte und Aktivität der Pflanzendecke möglich seien. Anhand der gemessenen Signale wird dann der sog. “normalized difference vegetation index” (NDVI, Verfahren) berechnet. Er soll angeben, wie viel Strahlung in einem bestimmten Gebiet durch photosynthetisch aktive Pflanzen absorbiert wird. Doch leider, so mussten auch schon die Agrar-Polizisten der EU auf der Suche nach Subventionsschwindlern mit angeblich stillgelegten landwirtschaftlichen Anbauflächen in den letzten Jahren immer wieder feststellen, ist die Zahl möglicher Täuschungen von Satellitenmessungen sehr groß. Denn: Was die Satelliten messen, hängt nicht nur von Art und Dichte der Vegetation ab, sondern wird durch zahlreiche weitere Faktoren beeinflusst. Beispiele: Systematische Fehler der Messgeräte, klimatische Einflüsse, die die optische Durchlässigkeit der Atmosphäre beeinflussen (“Wind und Wetter”) oder die variablen Konzentration von Aerosolen (v.a. nach Ausbruch großer Vulkane). In welchem Umfang die deshalb nötigen Daten-Korrekturen und statistischen Konsistenz-Prüfungen noch valide Aussagen zulassen, werden andere Wissenschaftler nun zu prüfen haben.
Insgesamt kommen die Forscher zum Schluss, dass in den letzten 20 Jahren durch die klimatischen Veränderungen sowohl in Nordamerika als auch in Eurasien das Pflanzenwachstum angeregt wurde. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den beiden Kontinenten. In Eurasien ist bei mehr als 60 Prozent der Gebiete mit einer Vegetationsdecke eine Zunahme des NDVI zu verzeichnen. Dabei sticht vor allem das große Gebiet zwischen Zentraleuropa und Ostasien hervor, in dem praktisch überall eine deutliche Zunahme zu verzeichnen ist. Über die gesamte Vegetationsperiode hinweg nahm der NDVI um rund 12 Prozent zu. Etwas anders sieht die Situation in Nordamerika aus. Es gibt zwar auch auf diesem Kontinent Gebiete mit einer starken Zunahme der Pflanzenaktivität; doch dabei handelt es sich um vergleichsweise kleine Zonen, die unregelmäßig über den Kontinent verstreut sind. Die Zunahme des NDVI über die gesamte Vegetationsperiode beträgt in Nordamerika etwa 8 Prozent.
Die Analysen lassen auch zeitliche und räumlichen Aktivitäten der Landökosysteme erkennen: Die stärkste Zunahme des NDVI ist im Frühjahr und Herbst zu verzeichnen: 20 bzw. 15 Prozent sind es in Eurasien, 17 bzw. 10 Prozent in Nordamerika. Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass sich die Vegetationsperiode in Nordamerika und Eurasien in den letzten Jahrzehnten verlängert hat. Die Auswertung der Daten legt nahe, dass sich diese im untersuchten Zeitraum in Amerika um etwas mehr als eine Woche, in Eurasien gar um knapp zwei Wochen verlängert hat. Diese Zahlen, so betonen die Forscher, sind jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet und geben die tatsächlichen Veränderungen nur ansatzweise wieder. Auffallend ist auch, dass es Gebiete gibt, in denen die Aktivität der Pflanzen abgenommen hat. Dabei handelt es sich vor allem um die borealen Gebiete in Nordamerika und im äußersten Nordosten von Eurasien. Dies ist nach Ansicht der Forscher darauf zurückzuführen, dass in diesen Gebieten in den letzten Jahren weniger Niederschläge gefallen sind. Das Wachstum der Pflanzen wurde daher durch diesen Faktor eingeschränkt.
Als Erklärung für die gemessenen Unterschiede der Vegetation haben Klimaforscher zur Zeit nur eine reflexartige Antwort: Die Klimaerwärmung ist Schuld! Und tatsächlich: Vergleicht man die ermittelten Vegetationsdaten mit den regionalen Temperaturzunahmen der letzten 20 Jahre, so zeigt sich insgesamt eine gute Übereinstimmung zwischen diesen beiden Größen, war doch die durchschnittliche Temperaturzunahme in Nordamerika ebenfalls geringer als in Eurasien. Und noch besser: Das als Treibhausgas angeschuldigte CO2 wird nicht nur als mitverantwortlich am Treibhauseffekt interpretiert, sondern auch gleichzeitig als “Dünger” der Nordhemisphären-Vegetation (“CO2-Senke”).
Trotz der oft 100%ig divergenten Interpretationen von Naturphänomenen durch Klimaforscher (z.B. Klimaerwärmung führt zur Atmosphären-Erwärmung oder ‑Abkühlung; Treibhauseffekt führt zur Vegetationsverdichtung oder Verschiebung der Klimazonen; Klimaerwärmung lässt Meeresspiegel steigen oder fallen) sollte wenigstens empirisch klärbar sein, ob z.B. die Vegetationsperioden in Mitteleuropa während der letzten 20 Jahre zugenommen haben oder nicht. Hinweise dafür gibt es, wie z.B. Allergologen berichten: Ihre Kunden, so heißt es, leiden heute früher und länger im Jahr an pollenbedingten Beschwerden als noch vor 10 Jahren. Auch die Phänologie, die sich mit jahreszeitlichen Abläufe auch in der Pflanzenwelt beschäftigt, kann die Verlängerung der Wachstumsperiode (v.a. den früheren Beginn) empirisch bestätigen, genauso wie Holz- oder Landwirtschaft. Wenn sich aber Umweltbedingungen (Erwärmung, Regenmenge, Trockenperioden, Vegetationsdichte, Vegetationszusammensetzung u.a.) ändern, kann und wird dies auch weitreichende Konsequenzen für die Phytotherapie haben.
In einem demnächst folgenden Bericht werden wir dies genauer beschreiben.
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Heilpflanzen-Welt (2000).
Quellen
Zhou, L. et al.: Relation Between Interannual Variations in Satellite Measures of Northern Forest Greenness and Climate Between 1982 and 1999. Jour. Geophys. Res. – Atmospheres, 106/D17, 20 069–20 083 (2001). 26. September 2001. (Journal of Geophysical Research (Atmospheres), Original, 48 MB, PDF).