Kampō-Medizin aus Japan

Heiltee der Kampō-Medizin
Heil­tee der Kampō-Medizin
Die japa­ni­sche Kampō-Medi­zin ist in Deutsch­land nicht beson­ders bekannt. Sie basiert auf den Grund­la­gen der tra­di­tio­nel­len chi­ne­si­schen Medi­zin (TCM). Denn ihre Ursprün­ge sol­len 500 Jah­re nach Chris­tus vom chi­ne­si­schen Fest­land nach Japan gelangt sein. Auch der Name Kampō gibt Ken­nern Aus­kunft über die chi­ne­si­schen Ursprün­ge: Kam­po setzt sich aus den Schrift­zei­chen kan (chi­ne­si­sche Han-Zeit; 220 vor bis 220 nach Chris­tus) und dem Zei­chen (Metho­de, Rich­tung) zusam­men. Der Bezug zu der chi­ne­si­schen Han-Zeit ist des­halb bedeut­sam, weil aus die­sem Zeit­raum die wesent­li­chen medi­zi­ni­schen Schrif­ten stam­men, auf die sich die Kampō-Medi­zi­ner bezieht.

Chinesische Werke auf der die Kampō-Medizin beruht:

- Shang Han Lun (japa­nisch: Sho­k­an­ron): „Die Abhand­lung über die Kälte-Schädigungen“
Jin Kuai Yao Lüe

Bei­de Wer­ke haben ihre Bedeu­tung bis in die Gegen­wart erhal­ten. Sie sind wei­ter­hin Haupt­quel­le der Arz­nei­mit­tel­ver­ord­nun­gen für Kampō-Medi­zi­ner in Japan. Natür­lich haben sich im Lau­fe der Jahr­hun­der­te Modi­fi­ka­tio­nen erge­ben, die eng mit der Geschich­te des Insel­staa­tes zusam­men hän­gen: Zum einen begrün­den sich die­se mit der zeit­wei­sen extre­men Iso­lie­rung Japans (v. a. Endo-Zeit, 1603–1868) zum ande­ren mit der Abhän­gig­keit von Roh­stof­fen oder der schwie­ri­gen Beschaf­fung der sel­ben. So ent­schie­den bei­spiels­wei­se die japa­ni­schen Ärz­te aus den 30.000 – 50.000 mög­li­chen arz­nei­li­chen Roh­stof­fen der TCM die 120 wesent­lichs­ten aus­zu­wäh­len. Die­se sind bis heu­te im Bestand der Kampō-Medizin.

Vorteile der Kampō-Medizin gegenüber der TCM

  • gerin­ge Anzahl der Einzeldrogen,
  • stren­ge Kon­trol­le nach Rückständen,
  • Ver­fei­ne­rung bei der pha­ram­zeu­ti­schen Aufbereitung,
  • gerin­ge­re Dosie­rung wegen des höhe­ren Wirk­stoff­ge­halts weni­ger Nebenwirkungen

Quel­le: Eber­hard, Ulrich: Leit­fa­den Kampō-Medi­­zin, S. 16

Die zwei wesent­li­chen Schu­len gosei­ha („Schu­le der spä­te­ren Zeit“) und kohōha haben im Lau­fe der Jahr­hun­der­te die heu­ti­ge japa­ni­sche Heil­kunst geprägt. Die bei­den Schu­len ver­folg­ten unter­schied­li­che Ansät­ze, so wur­de die gosei­ha stark durch eine chi­ne­si­sche Schu­le (Yuan) mit ihren kos­mo­lo­gi­schen Vor­stel­lun­gen geprägt. Die koho­ha ori­en­tier­te sich wei­ter­hin an die chi­ne­si­schen Klas­si­ker, erwei­ter­te und vor allem ver­fei­ner­te die thero­re­ti­schen Grund­la­gen. Heu­te hat sich die kohoha-Schule als maß­geb­lich durchgesetzt.

Kampō-Medizin: Harmonie und Selbstheilungskräfte

Die Kampō-Medi­zin ver­folgt einen ganz­heit­li­chen (holis­ti­schen) Ansatz. Gesund­heit eines Men­schen wird als har­mo­ni­sches Gleich­ge­wicht zwi­schen Kör­per und See­le ange­se­hen. Krank­heit ist folg­lich eine Stö­rung des Gleich­ge­wichts (Dys­har­mo­nie). Im Vor­feld von Erkran­kun­gen ste­hen Schwä­che, Müdig­keit oder Anzei­chen ande­rer Funk­ti­ons­stö­run­gen. Ihnen wird viel Auf­merk­sam­keit geschenkt, denn es wird ver­sucht vor­beu­gend Krank­hei­ten zu begeg­nen. Die Prä­ven­ti­on hat folg­lich wesent­li­che Bedeu­tung. Ist es zu einer Krank­heit gekom­men, liegt das The­ra­pie­ziel in der Wie­der­her­stel­lung des har­mo­ni­schen Gleich­ge­wichts zwi­schen Kör­per und See­le. Ver­wen­det wer­den mild wir­ken­de pflanz­li­che Arz­nei­mit­tel. Die Krank­heit im Sin­ne einer gestör­ten inne­ren Balan­ce wird lang­fris­tig mit Hil­fe der „Selbst­hei­lungs­kräf­te“ des Pati­en­ten wie­der in Har­mo­nie gebracht.

Diagnostik:

Die Dia­gnos­tik beruht auf den vier klas­si­schen Unter­su­chungs­ver­fah­rens eines Kampō-Arztes:
1. Befragung
2. Betrach­tung (Zun­gen­dia­gnos­tik)
3. Hören und Riechen
4. Betas­ten (Puls­dia­gnos­tik, Bauchdiagnostik)

Die Kampō-Medi­zin legt auch auf die Bauch­dia­gnos­tik gro­ßen Wert. Der Bauch wird abge­tas­tet und abge­klopft (Pal­pa­ti­on). Auf­grund des Span­nungs­zu­stan­des der Bauch­de­cke, den Geräu­schen, der ‑form, der Druck­ge­füh­le, die erzeugt wer­den kön­nen usw. beur­teilt der Arzt den Pati­en­ten oder sein sho (Krank­heits-Zustand).

Im Japa­ni­schen befin­det sich das Lebens­zen­trum im Bauch. Das Hara­ki­ri (hara=Bauch; kiri=schneiden) bezieht sich auf die­se Vor­stel­lung: Ein ent­ehr­ter Samu­rai nimmt eine ritu­el­le Selbst­tö­tung vor, indem er sich ein Schwert in den Bauch rammt und die Ein­ge­wei­de zerschneidet.

Behandlung:

Die Befun­de der gesam­ten Dia­gno­sik wer­den in acht Leit­kri­te­ri­en und vier pola­ren Paa­ren zugeordnet:

Yin Yang
Innen Außen
Käl­te Hit­ze
Lee­re Fül­le

Ähn­lich der TCM (Link) wer­den die über­ge­or­de­ne­ten Qua­li­tä­ten Yin/​Yang der Reak­ti­ons­la­ge, den Syp­to­men des Pati­en­ten zuge­ord­net. Auch die nach­fol­gen­de Behand­lung fußt dar­auf. Es gilt die in Dys­har­mo­nie gera­te­nen Zustän­de des Pati­en­ten wie­der zu har­mo­ni­sie­ren. Zur Ver­fü­gung ste­hen dem Arzt pflanz­li­che Heil­mit­tel (Phy­to­phar­ma­ka) oder auch Akku­punk­tur (oder bei­des zusammen).

In Japan dür­fen nur appro­bier­te, d. h. schul­me­di­zi­nisch aus­ge­bil­de­te Ärz­te Kampō-Medi­zin betrei­ben. Kampō-Medi­zi­ner erwer­ben das klas­si­sche japa­ni­sche Heil­ver­fah­ren nach ihrem Hoch­schul­stu­di­um durch Selbststudium.

Kampo-Medizin

Haben Sie schon ein­mal von der Kam­­po-Medi­­zin gele­sen? Nein? Dann tau­chen Sie jetzt ein in das span­nen­de Medi­zin­sys­tem der Japa­ner. Die Kam­­po-Medi­­zin ist ein Teil­be­reich der tra­di­tio­nel­len japa­ni­schen Heil­me­tho­den und bedeu­tet so viel wie japa­ni­sche Phy­to­the­ra­pie. Selbst­ver­ständ­lich gibt es in Japan wie in allen Län­dern nicht nur die Heil­pflan­zen­the­ra­pie für die Vor­beu­gung gegen und Behand­lung von Beschwer­den. Aku­punk­tur und Moxi­bus­ti­on (Wär­me­be­hand­lung auf Aku­punk­tur­punk­ten) wer­den eben­so wie spe­zi­el­le Mas­sa­ge­tech­ni­ken wie etwa Shi­atsu (oft als Aku­pres­sur bekannt) in der japa­ni­schen Heil­kun­de praktiziert.

Als Mut­ter der Kam­­po-Medi­­zin gilt zwei­fels­oh­ne die Tra­di­tio­nel­le Chi­ne­si­sche Medi­zin, und dar­an hat sich die japa­ni­sche Phy­to­the­ra­pie jahr­hun­der­te­lang ori­en­tiert. Trotz­dem ist sie heu­te ein indi­vi­du­el­les, in sich geschlos­se­nes Medi­zin­sys­tem. Zwar wis­sen Kam­­po-Medi­­zi­­ner, dass es meh­re­re Tau­send ver­schie­de­ne Heil­pflan­zen gibt, wirk­lich gebräuch­lich sind aber »nur« 250 Arz­nei­dro­gen und unge­fähr eben­so vie­le Rezep­tu­ren. Die Kam­­po-Medi­­zin darf heu­te ledig­lich von staat­lich zuge­las­se­nen Ärz­ten nach einem medi­zi­ni­schen Hoch­schul­stu­di­um aus­ge­übt wer­den, also nach der Approbation.

• Gegen­über ande­ren fern­öst­li­chen The­ra­pie­ver­fah­ren hat die Kam­­po-Medi­­zin eini­ge Vor­tei­le, wozu die rela­tiv gerin­ge Anzahl von Ein­zel­dro­gen, die stren­ge Aus­wahl von wich­ti­gen Stof­fen und eine stren­ge Rück­stands­kon­trol­le gehö­ren. In Japan ist die Rück­stands­kon­trol­le gesetz­lich vor­ge­schrie­ben und das Vor­kom­men von Pflan­zen­schutz­mit­teln, Schwer­me­tal­len und sons­ti­gen Rück­stän­den wird pein­lich genau über­wacht. In Deutsch­land kön­nen japa­ni­sche Heil­pflan­zen bis­lang nur von einer Apo­the­ke in Mün­chen bezo­gen werden.

Die Kam­­po-Medi­­zin ist kei­ne Alter­na­tiv­me­di­zin; sie ist viel­mehr eine Ergän­zung der Schul­me­di­zin und eig­net sich für kom­ple­men­tä­re Behand­lun­gen. Sym­pto­me wie häu­fi­ge Müdig­keit oder Rücken­schmer­zen ohne erkenn­ba­re Ursa­che wer­den in der Kam­­po-The­ra­pie als eine Dys­ba­lan­ce gese­hen, die es zurück ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen gilt. In der Kam­­po-Medi­­zin spielt Prä­ven­ti­on daher eine her­aus­ra­gen­de Rol­le. Die meis­ten Arz­nei­mit­tel wer­den als Kom­bi­na­ti­ons­prä­pa­rat ver­ab­reicht, sel­te­ner als eine Einzeldroge.

zitiert nach:
Nadi­ne Ber­­ling-Aumann: Gesün­der leben mit Heil­pflan­zen für Dum­mies. Wiley-VCH, Wein­heim, 2018 (bei Ama­zon kau­fen).

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (April 2011).
Bild­nach­weis
• Tea­Co­ra Rooi­bos (unsplash.com, BXjZKO1exmA).
Quel­len
• Eber­hard, Ulrich: Kampō – Eine Alter­na­ti­ve zur west­li­chen Medi­zin? Deut­sche Gesell­schaft für Natur- und Völ­ker­kun­de Ost­asi­ens (OAG), Tokyo, Japan. 1985.
• Eber­hard, Ulrich: Leit­fa­den Kampō-Medi­­zin, Japa­ni­sche Phy­to­the­ra­pie, Else­vier GmbH, Urban & Fischer Ver­lag, Mün­chen, 2003 (bei Ama­zon kau­fen).
wei­te­re Infos
Tra­di­tio­nel­le Chi­ne­si­sche Medizin
• Kaden M: Heil­pflan­zen: Mensch­heits­be­glei­ter. Okto­ber 2013 (Voll­text).