Chinesische Werke auf der die Kampō-Medizin beruht:
- Shang Han Lun (japanisch: Shokanron): „Die Abhandlung über die Kälte-Schädigungen“
– Jin Kuai Yao Lüe
Beide Werke haben ihre Bedeutung bis in die Gegenwart erhalten. Sie sind weiterhin Hauptquelle der Arzneimittelverordnungen für Kampō-Mediziner in Japan. Natürlich haben sich im Laufe der Jahrhunderte Modifikationen ergeben, die eng mit der Geschichte des Inselstaates zusammen hängen: Zum einen begründen sich diese mit der zeitweisen extremen Isolierung Japans (v. a. Endo-Zeit, 1603–1868) zum anderen mit der Abhängigkeit von Rohstoffen oder der schwierigen Beschaffung der selben. So entschieden beispielsweise die japanischen Ärzte aus den 30.000 – 50.000 möglichen arzneilichen Rohstoffen der TCM die 120 wesentlichsten auszuwählen. Diese sind bis heute im Bestand der Kampō-Medizin.
Vorteile der Kampō-Medizin gegenüber der TCM
- geringe Anzahl der Einzeldrogen,
- strenge Kontrolle nach Rückständen,
- Verfeinerung bei der pharamzeutischen Aufbereitung,
- geringere Dosierung wegen des höheren Wirkstoffgehalts weniger Nebenwirkungen
Quelle: Eberhard, Ulrich: Leitfaden Kampō-Medizin, S. 16
Die zwei wesentlichen Schulen goseiha („Schule der späteren Zeit“) und kohōha haben im Laufe der Jahrhunderte die heutige japanische Heilkunst geprägt. Die beiden Schulen verfolgten unterschiedliche Ansätze, so wurde die goseiha stark durch eine chinesische Schule (Yuan) mit ihren kosmologischen Vorstellungen geprägt. Die kohoha orientierte sich weiterhin an die chinesischen Klassiker, erweiterte und vor allem verfeinerte die theroretischen Grundlagen. Heute hat sich die kohoha-Schule als maßgeblich durchgesetzt.
Kampō-Medizin: Harmonie und Selbstheilungskräfte
Die Kampō-Medizin verfolgt einen ganzheitlichen (holistischen) Ansatz. Gesundheit eines Menschen wird als harmonisches Gleichgewicht zwischen Körper und Seele angesehen. Krankheit ist folglich eine Störung des Gleichgewichts (Dysharmonie). Im Vorfeld von Erkrankungen stehen Schwäche, Müdigkeit oder Anzeichen anderer Funktionsstörungen. Ihnen wird viel Aufmerksamkeit geschenkt, denn es wird versucht vorbeugend Krankheiten zu begegnen. Die Prävention hat folglich wesentliche Bedeutung. Ist es zu einer Krankheit gekommen, liegt das Therapieziel in der Wiederherstellung des harmonischen Gleichgewichts zwischen Körper und Seele. Verwendet werden mild wirkende pflanzliche Arzneimittel. Die Krankheit im Sinne einer gestörten inneren Balance wird langfristig mit Hilfe der „Selbstheilungskräfte“ des Patienten wieder in Harmonie gebracht.
Diagnostik:
Die Diagnostik beruht auf den vier klassischen Untersuchungsverfahrens eines Kampō-Arztes:
1. Befragung
2. Betrachtung (Zungendiagnostik)
3. Hören und Riechen
4. Betasten (Pulsdiagnostik, Bauchdiagnostik)
Die Kampō-Medizin legt auch auf die Bauchdiagnostik großen Wert. Der Bauch wird abgetastet und abgeklopft (Palpation). Aufgrund des Spannungszustandes der Bauchdecke, den Geräuschen, der ‑form, der Druckgefühle, die erzeugt werden können usw. beurteilt der Arzt den Patienten oder sein sho (Krankheits-Zustand).
Im Japanischen befindet sich das Lebenszentrum im Bauch. Das Harakiri (hara=Bauch; kiri=schneiden) bezieht sich auf diese Vorstellung: Ein entehrter Samurai nimmt eine rituelle Selbsttötung vor, indem er sich ein Schwert in den Bauch rammt und die Eingeweide zerschneidet.
Behandlung:
Die Befunde der gesamten Diagnosik werden in acht Leitkriterien und vier polaren Paaren zugeordnet:
Yin | Yang |
Innen | Außen |
Kälte | Hitze |
Leere | Fülle |
Ähnlich der TCM (Link) werden die übergeordeneten Qualitäten Yin/Yang der Reaktionslage, den Syptomen des Patienten zugeordnet. Auch die nachfolgende Behandlung fußt darauf. Es gilt die in Dysharmonie geratenen Zustände des Patienten wieder zu harmonisieren. Zur Verfügung stehen dem Arzt pflanzliche Heilmittel (Phytopharmaka) oder auch Akkupunktur (oder beides zusammen).
In Japan dürfen nur approbierte, d. h. schulmedizinisch ausgebildete Ärzte Kampō-Medizin betreiben. Kampō-Mediziner erwerben das klassische japanische Heilverfahren nach ihrem Hochschulstudium durch Selbststudium.
Kampo-Medizin
Haben Sie schon einmal von der Kampo-Medizin gelesen? Nein? Dann tauchen Sie jetzt ein in das spannende Medizinsystem der Japaner. Die Kampo-Medizin ist ein Teilbereich der traditionellen japanischen Heilmethoden und bedeutet so viel wie japanische Phytotherapie. Selbstverständlich gibt es in Japan wie in allen Ländern nicht nur die Heilpflanzentherapie für die Vorbeugung gegen und Behandlung von Beschwerden. Akupunktur und Moxibustion (Wärmebehandlung auf Akupunkturpunkten) werden ebenso wie spezielle Massagetechniken wie etwa Shiatsu (oft als Akupressur bekannt) in der japanischen Heilkunde praktiziert.
Als Mutter der Kampo-Medizin gilt zweifelsohne die Traditionelle Chinesische Medizin, und daran hat sich die japanische Phytotherapie jahrhundertelang orientiert. Trotzdem ist sie heute ein individuelles, in sich geschlossenes Medizinsystem. Zwar wissen Kampo-Mediziner, dass es mehrere Tausend verschiedene Heilpflanzen gibt, wirklich gebräuchlich sind aber »nur« 250 Arzneidrogen und ungefähr ebenso viele Rezepturen. Die Kampo-Medizin darf heute lediglich von staatlich zugelassenen Ärzten nach einem medizinischen Hochschulstudium ausgeübt werden, also nach der Approbation.
• Gegenüber anderen fernöstlichen Therapieverfahren hat die Kampo-Medizin einige Vorteile, wozu die relativ geringe Anzahl von Einzeldrogen, die strenge Auswahl von wichtigen Stoffen und eine strenge Rückstandskontrolle gehören. In Japan ist die Rückstandskontrolle gesetzlich vorgeschrieben und das Vorkommen von Pflanzenschutzmitteln, Schwermetallen und sonstigen Rückständen wird peinlich genau überwacht. In Deutschland können japanische Heilpflanzen bislang nur von einer Apotheke in München bezogen werden.
Die Kampo-Medizin ist keine Alternativmedizin; sie ist vielmehr eine Ergänzung der Schulmedizin und eignet sich für komplementäre Behandlungen. Symptome wie häufige Müdigkeit oder Rückenschmerzen ohne erkennbare Ursache werden in der Kampo-Therapie als eine Dysbalance gesehen, die es zurück ins Gleichgewicht zu bringen gilt. In der Kampo-Medizin spielt Prävention daher eine herausragende Rolle. Die meisten Arzneimittel werden als Kombinationspräparat verabreicht, seltener als eine Einzeldroge.
zitiert nach:
Nadine Berling-Aumann: Gesünder leben mit Heilpflanzen für Dummies. Wiley-VCH, Weinheim, 2018 (bei Amazon kaufen).
Autorin
• Marion Kaden, Heilpflanzen-Welt (April 2011).
Bildnachweis
• TeaCora Rooibos (unsplash.com, BXjZKO1exmA).
Quellen
• Eberhard, Ulrich: Kampō – Eine Alternative zur westlichen Medizin? Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG), Tokyo, Japan. 1985.
• Eberhard, Ulrich: Leitfaden Kampō-Medizin, Japanische Phytotherapie, Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München, 2003 (bei Amazon kaufen).
weitere Infos
• Traditionelle Chinesische Medizin
• Kaden M: Heilpflanzen: Menschheitsbegleiter. Oktober 2013 (Volltext).