Traditionelle Arzneimittel – Auf Erfahrung beruhend – und doch wirksam!

Sie ste­hen im Super­markt, wol­len etwas Gutes für Ihre Gesund­heit tun und lesen auf der Packung zum Bei­spiel eines Tees: “Anwen­dungs­ge­bie­te: Tra­di­tio­nell ange­wen­det zur Unter­stüt­zung von…”. Sie stut­zen und fra­gen sich, ob es sich dabei um einen wirk­sa­men Tee han­delt? Oft tra­gen sol­che For­mu­lie­run­gen zur Ver­un­si­che­rung von Ver­brau­chern bei. Heil­pflan­zen-Welt erklärt die wich­tigs­ten gesetz­li­chen Vor­schrif­ten für pflanz­li­che Arz­nei­mit­tel: In die­ser Fol­ge “Tra­di­tio­nel­le Arzneimittel”.

Für alle pflanz­li­chen Arz­nei­mit­tel und deren Zube­rei­tun­gen (Phy­to­phar­ma­ka) gibt es gesetz­li­che Bestim­mun­gen, die die Sicher­heit bei der Anwen­dung der Mit­tel gewähr­leis­ten sol­len (Stich­wort Arz­nei­mit­tel­si­cher­heit). Dazu gehö­ren Tees, Kap­seln, Dra­gees, Frisch­pflan­zen­press-Säf­te, Tink­tu­ren, Inha­la­to­ren und sogar Bade­zu­sät­ze mit pflanz­li­chen Wirk­stof­fen. Sol­che Pro­duk­te kön­nen apo­the­ken­pflich­tig (nur in Apo­the­ken erhält­lich) oder frei­ver­käuf­lich (Reform­häu­ser, Dro­ge­rie oder ande­re Ein­zel­han­dels­lä­den) sein. Das Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te (BfArM) als Bun­des­ober­be­hör­de wacht über die Arz­nei­mit­tel­si­cher­heit, die durch ein kom­pli­zier­tes Zulas­sungs­sys­tem gewähr­leis­tet wird. Ob che­misch-syn­the­tisch (all­o­pa­thisch, künst­lich pro­du­ziert) oder pflanz­lich (phy­to­phar­ma­zeu­tisch) her­ge­stellt – jedes Arz­nei­mit­tel muß zuge­las­sen wer­den. Die Zulas­sung erfolgt, wenn die Her­stel­ler die phar­ma­zeu­ti­sche Qua­li­tät, Unbe­denk­lich­keit und Wirk­sam­keit durch labor­tech­ni­sche Unter­su­chun­gen und Unter­su­chun­gen an Tier und Mensch nach­ge­wie­sen haben.

Der wich­tigs­te Grund­stein für ein stren­ges Zulas­sungs­sys­tem wur­de 1976 gelegt. In die­sem Jahr trat eine ver­schärf­te Ver­si­on des Arz­nei­mit­tel­ge­set­zes (AMG) in Kraft, das nach den Con­ter­gan-Skan­da­len im Rah­men der Euro­päi­schen Wirt­schafts­ge­mein­schaft nötig wur­de. Im wei­ter zusam­men­wach­sen­den euro­päi­schen Markt soll­ten Ver­brau­cher stär­ker geschützt wer­den. Zur Arz­nei­mit­tel-Kon­trol­le wur­de ein stren­ges Zulas­sungs­sys­tem ein­ge­führt. So etwas hat­te es in Deutsch­land bis­her noch nicht gege­ben. Folg­lich gab es auf dem deut­schen Markt Tau­sen­de von all­o­pa­thi­schen und pflanz­li­chen Prä­pa­ra­ten. Und: Als Land mit einer sehr lan­gen phy­to­the­ra­peu­ti­schen Tra­di­ti­on gab es in Deutsch­land allein rund 20.000 pflanz­li­che Arzneimittel.

Die Umset­zung der euro­päi­schen Richt­li­ni­en in deut­sches Recht brach­te ein­schnei­den­de Ver­än­de­run­gen und mit sich und gefähr­de­te vie­le pflanz­li­che Arz­nei­mit­tel. War­um? Die gesetz­lich ver­an­ker­ten Zulas­sungs­ver­fah­ren sahen vor, dass die Arz­nei­mit­tel mit­tels labor­tech­ni­scher Unter­su­chun­gen sowie tier­ex­pe­ri­men­tel­ler und kli­ni­scher Stu­di­en ihre Wirk­sam­keit und Unbe­denk­lich­keit nach­wei­sen muss­ten. Her­stel­ler von pflanz­li­chen Arz­nei­mit­teln sahen und sehen sich dabei mit beson­de­ren Schwie­rig­kei­ten kon­fron­tiert. Jeder ein­zel­ne Pflan­zen­ex­trakt besteht schließ­lich aus einer Viel­zahl von Inhalts­stof­fen. Zumeist ist nicht ein ein­zel­ner Inhalts­stoff für die Wirk­sam­keit ver­ant­wort­lich sind, son­dern eine Viel­zahl. Die­se Viel­stoff­ge­mi­sche las­sen sich jedoch in labor­tech­ni­schen Unter­su­chun­gen oft nicht befrie­di­gend ana­ly­sie­ren, wes­halb spe­zi­el­le Zulas­sungs-Anfor­de­run­gen im Bereich der Labor­prü­fung die­ser Extrak­te gelten.

Zur ver­ein­fach­ten Über­prü­fung des Phy­to­mark­tes ent­schied sich der deut­sche Gesetz­ge­ber 1978 zur soge­nann­ten Nach­zu­las­sung. Es wur­de eine spe­zi­el­le Kom­mis­si­on am Bun­des­ge­sund­heits­amt (Kom­mis­si­on E, für die Phy­to­phar­ma­ka, heu­te BfArm) beru­fen, um Bewer­tun­gen und (wis­sen­schaft­li­che) Kri­te­ri­en für die Nach­zu­las­sung pflanz­li­cher Prä­pa­ra­te zu ent­wi­ckeln. Fach­leu­te der Natur­heil­kun­de, Exper­ten der Phy­to­phar­ma­ko­lo­gie und Wis­sen­schaft­ler began­nen mit einer lang­jäh­ri­gen Arbeit. Sie fin­gen an, den wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­stand rund um ver­schie­de­ne Heil­pflan­zen zu sich­ten und so die arz­nei­mit­tel­recht­li­che Grund­la­gen in Form der sog. Mono­gra­phien zur Beur­tei­lung der Zulas­sungs­be­hör­de zu schaf­fen. Die Arbeit der Kom­mis­si­on war müh­sam und wur­de durch Inter­es­sens­kon­flik­te, Schwie­rig­kei­ten bei der wis­sen­schaft­li­chen Metho­den­fin­dung oder unter­schied­li­chen Ansät­zen von wis­sen­schaft­li­chem Publi­ka­tio­nen und deren Bewer­tung erheb­lich erschwert. Bis heu­te gab und gibt es vie­le Ände­run­gen und Nach­bes­se­run­gen des Arz­nei­mit­tel­ge­set­zes, die in soge­nann­ten Novel­lie­run­gen ihren Aus­druck fin­den (z. Z. ist das AMG in der 12. Fas­sung in Vorbereitung).

Für eine ande­re Grup­pe pflanz­li­cher Arz­nei­mit­tel, die einen Bezug auf lang­jäh­ri­ge Tra­di­ti­on nach­wei­sen kön­nen, wur­de eine Rege­lung eines erleich­ter­ten Nach­zu­las­sungs­ver­fah­rens (§109a, 5. AMG-Novel­le, 1994) geschaf­fen. Damit erhiel­ten Unter­neh­men die Mög­lich­keit, die manch­mal jahr­hun­der­te lan­ge Erfah­rung mit Prä­pa­ra­ten mit ein­zu­brin­gen und als Bewer­tung für die Wirk­sam­keit aner­ken­nen zu las­sen. Die Phy­to­phar­ma­ka-Her­stel­ler muß­ten für sol­che Nach­zu­las­sungs­ver­fah­ren die Beson­der­hei­ten ihrer lang­jäh­ri­gen Arz­nei­mit­tel durch doku­men­tier­te Erfah­run­gen (Lite­ra­tur­samm­lung) bele­gen. Die­se Anwen­dun­gen wur­den nach einer Anhö­rung durch eine spe­zi­el­le § 109 a‑Kommission beim BGA/​BfArm bestä­tigt. Als Richt­li­ni­en für bestimm­te Anwen­dungs­ge­bie­te (gegen Erkäl­tung, zur Vor­beu­gung, rheu­ma­ti­sche Beschwer­den) hat die­se Kom­mis­si­on eine Lis­te für Stof­fe und Stoff­kom­bi­na­tio­nen erar­bei­tet. Die Lis­te ent­hält etwa 1000 Stof­fe. Alle dar­in fest­ge­hal­te­nen phar­ma­zeu­ti­schen Wirk­stof­fe müs­sen Zusät­ze wie:

  • Tra­di­tio­nell verwendet
  • Zur Stär­kung oder Kräf­ti­gung des..
  • Zur Bes­se­rung des Befindens…
  • Zur Unter­stüt­zung der Organ­funk­ti­on des…
  • Zur Vor­beu­gung gegen…
  • Als mild wirk­sa­mes Arz­nei­mit­tel bei…

auf den Packun­gen als Zusatz zu den Anwen­dungs­ge­bie­ten zu ver­wen­den. Dadurch kön­nen Ver­brau­cher erken­nen, dass es sich um Prä­pa­ra­te han­delt, deren Wirk­sam­keit durch lang­jäh­ri­ge Erfah­rung und Beob­ach­tung belegt sind. Sie die­nen oft der Vor­beu­gung und Gesund­heits­pfle­ge oder bei Erkran­kun­gen als Arz­nei­mit­tel mit mil­der, neben­wir­kungs­ar­mer Wirkung.

Es gibt also zwei Grup­pen pflanz­li­cher Arz­nei­mit­tel auf dem bun­des­deut­schen Markt: Zum einen, die nach gän­gi­gen Kri­te­ri­en geprüf­ten oder auf Basis der Kom­mis­si­on E‑Monographien zuge­las­se­nen Prä­pa­ra­te. Und zum ande­ren die tra­di­tio­nel­len Pflan­zen­heil­mit­tel mit gerin­ge­ren Ansprü­chen an die zu behan­deln­den Gesund­heits­stö­run­gen oder Erkrankungen.

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (2003).

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