Integrative Onkologie: Individuell angepasste Misteltherapie für Krebs-Patientinnen

Krebs­pa­ti­en­tin­nen suchen schon wäh­rend ihrer schul­me­di­zi­ni­schen Behand­lun­gen nach natur­heil­kund­li­chen (kom­ple­men­tär­me­di­zi­ni­schen) Alter­na­ti­ven. Die Ver­wen­dung der Mis­tel­the­ra­pie ist eine gut ein­ge­führ­te, the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­me in der Krebs­the­ra­pie. Sie wird von Ärz­ten ver­ord­net und von den Pati­en­tin­nen selbst durch­ge­führt. Stu­di­en bele­gen ver­schie­de­ne posi­ti­ve Ein­flüs­se auf das Leben der Krebs­er­krank­ten: So konn­te unter ande­rem die Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät (Stär­kung des Immun­sys­tems, Ver­bes­se­rung des chro­ni­schen Erschöp­fungs­syn­droms) oder Lebens­ver­län­ge­rung bei ver­schie­de­nen Krebs­ar­ten nach­ge­wie­sen werden.

Eine Krebs-Patientin berichtet

Hel­ga Maschke

Mit 52 Jah­ren wur­de bei Hel­ga Maschke Krebs dia­gnos­ti­ziert. Sie hat­te einen Kno­ten in einer Brust selbst ertas­tet und war zu ihrem Gynä­ko­lo­gen gegan­gen. Als die­ser die befürch­te­te Dia­gno­se eines Brust­kreb­ses bestä­tig­te, konn­te sie zunächst gar nicht reagie­ren: “Ich war wie gelähmt und zu kei­ner Reak­ti­on fähig”, erin­nert sich die nun 71jährige wäh­rend der Ver­an­stal­tung “Inte­gra­ti­ve Onko­lo­gie – Der Weg für einen akti­ven Pati­en­ten” in Ber­lin-Wann­see. [1]. Das Schick­sal rich­te­te es so ein, dass sie genau am Tag der Krebs-Dia­gno­se auch die Nach­richt von der Geburt ihres Enkel­soh­nes bekam. “In der Freu­de dar­über habe ich nur funk­tio­niert und die Krebs­dia­gno­se irgend­wie ver­drängt”, erzählt Maschke wei­ter. Doch die bald ein­ge­lei­te­ten Behand­lun­gen mit Ope­ra­ti­on und Strah­len­the­ra­pie hol­ten sie schmerz­haft in die Rea­li­tät. Neben den schwe­ren kör­per­lich-see­li­schen Belas­tun­gen, die die not­wen­di­gen The­ra­pien mit sich brach­ten, ver­such­te Maschke ihre Wür­de und Eigen­ver­ant­wor­tung zu behal­ten. Als wider­sin­nig emp­fand sie, dass sie von den Ärz­ten damals nicht in die The­ra­pie­kon­zep­te mit ein­be­zo­gen wur­de – schließ­lich ging es doch um sie und ihren Kör­per. Maschke fühl­te sich ohn­mäch­tig und allei­ne gelas­sen. Doch Hel­ga Maschke ist kei­ne, die leicht auf­gibt. Sie ver­such­te Mit-Pati­en­tin­nen anzu­spre­chen, um Erfah­run­gen aus­zu­tau­schen und nach neu­en Wegen oder The­ra­pie zu suchen. Dabei fiel ihr die all­ge­mei­ne Sprach­lo­sig- und Hoff­nungs­lo­sig­keit unter den Krebs­pa­ti­en­tin­nen auf. Eher zufäl­lig erhielt sie eines Tages eine Infor­ma­ti­ons­bro­schü­re für Ärz­te über die Mis­tel­the­ra­pie in die Hand gedrückt. “Mein Mann und ich ver­such­ten zu ver­ste­hen, was da drin stand, doch es gelang uns nicht. Aber mein Haus­arzt konn­te etwas damit anfan­gen”, erzählt Maschke. Der Haus­arzt unter­stütz­te sie und ver­schrieb ihr Mis­tel­the­ra­pien, die Maschke dann sechs Jah­re lang selbst­stän­dig nahm. Nach kur­zem Ein­ler­nen war sie in der Lage, sich den jeweils ver­schrie­be­nen Mis­tel­ex­trakt zwei­mal wöchent­lich in den Bauch oder die Ober­schen­kel­haut zu sprit­zen (sub­ku­ta­ne Anwen­dung). “Ich war damals so froh, end­lich sel­ber etwas tun zu kön­nen”, erklärt die kämp­fe­ri­sche Frau.

Immer aktiv und aufmerksam bleiben

Mit der Mis­tel­the­ra­pie kam sie ihre Kraft zurück. Maschke such­te nach wei­te­ren Alter­na­ti­ven zur eige­nen Unter­stüt­zung und Krank­heits­be­wäl­ti­gung. Sie stieß zum Bei­spiel im Inter­net auf die “Bio­lo­gi­schen Krebs­ab­wehr”. Oder sie traf sich eines Tages mit einer Lei­te­rin einer Selbst­hil­fe­grup­pe (SHG, Prin­zip: Hil­fe durch Selbst­hil­fe) für Krebs­er­krank­te in einem Café. “Da saß für mich ein leben­des Bei­spiel, dass es nach einer Krebs­dia­gno­se sehr wohl wei­ter­ge­hen kann!”, so Maschke, “an ihrer Hand bin ich dann zur SHG gegangen”.

Nach vie­len Jah­ren eige­ner Arbeit in der SHG oder für ihren För­der­ver­ein resü­miert Maschke: “Wich­tig ist für mich das Leben mit dem Krebs und nicht nach dem Krebs”. Über die Jah­re erfuhr sie, wie wich­tig es ist, den Krebs als sys­te­mi­sche Erkran­kung (den gan­zen Kör­per betref­fend) zu begrei­fen. Denn der Krebs ist häu­fig nicht durch Ope­ra­tio­nen oder Strah­len- oder Che­mo­the­ra­pien besiegt. Als sys­te­mi­sche Erkran­kung kann Krebs immer wie­der kom­men. “Ich muss mich die­ser Tat­sa­che stel­len und dazu beken­nen”, so Maschke. Durch ihre lang­jäh­ri­ge Bera­tungs­tä­tig­keit hat sie vie­le krebs­kran­ke Men­schen beglei­tet – eini­ge sind mitt­ler­wei­le nicht mehr am Leben. Doch in ihrem Her­zen leben die­se Men­schen wei­ter: “Ihre per­sön­li­chen Geschich­ten zei­gen mir die unter­schied­lichs­ten Wege der Krank­heits­be­wäl­ti­gung. Sie kom­men mir wie Auf­trä­ge vor. Dabei ler­ne ich und schaue auf das, was sie mir hin­ter­las­sen haben”, sagt Maschke.

Hel­ga Maschke ist Grün­de­rin und 1. Vor­sit­zen­de des För­der­ver­eins Son­nen­weg e.V. Als Ziel nennt die Initia­to­rin des gemein­nüt­zi­gen Ver­eins die Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on für Krebs­be­trof­fe­ne, in dem ver­schie­de­ne Hil­fen (Infor­ma­ti­on, Bera­tung, Ver­mitt­lung) ange­bo­ten wer­den, um einen Weg der Hoff­nung für ein Leben mit Krebs zu wei­sen. Mehr Infos: www.sonnenweg-juelich.de

Integrative Onkologie

Dr. Annet­te Jaensch

Den Aspek­ten der Inte­gra­ti­ven Onko­lo­gie wen­det sich Dr. Annet­te Jänsch, Imma­nu­el-Kran­ken­haus, Ber­lin-Wann­see, zu. Sie erläu­tert in einem Vor­trag, dass die Inte­gra­ti­ve Onko­lo­gie auf wis­sen­schaft­lich über­prüf­ter Basis schul­me­di­zi­ni­sche mit tra­di­tio­nel­len Heil­ver­fah­ren ver­bin­det. Das erklär­te Ziel sei dabei: Pati­en­ten bei der akti­ven Bewäl­ti­gung ihrer Erkran­kung zu unter­stüt­zen. Mitt­ler­wei­le kön­ne, so Jänsch, durch ver­schie­de­ne Stu­di­en belegt wer­den, dass inte­gra­ti­ve onko­lo­gi­sche Maß­nah­men nicht nur die Lebens­qua­li­tät der Pati­en­ten, son­dern auch den Behand­lungs­er­folg all­ge­mein erhöh­ten. Auch konn­te z.B. die Ver­rin­ge­rung der Neben­wir­kun­gen und eine Ver­bes­se­rung der Krebs-Pro­gno­se nach­ge­wie­sen wer­den. In der Inte­gra­ti­ven Onko­lo­gie ist die Psy­cho­on­ko­lo­gie (psy­cho­lo­gi­sche Betreu­ung von Krebs­pa­ti­en­ten) eben­so ein wesent­li­cher Bestand­teil: “In der Stress­for­schung hat sich bei­spiels­wei­se gezeigt, dass die mensch­li­che Psy­che und das Immun­sys­tem posi­tiv ver­än­dert wer­den kön­nen, wenn Men­schen sich ihre Sor­gen, Ängs­te und Nöte bewusst machen und nach Aus­we­gen suchen. Sie füh­len sich dann nicht mehr hilf­los oder aus­ge­lie­fert”, so Jänsch. Durch die akti­ve Mit­ar­beit und Über­nah­me der Ver­ant­wor­tung für ihr eige­nes Leben wer­den neue Kräf­te mobi­li­siert, die Krebs­pa­ti­en­ten hel­fen, wie­der ins Leben zurückzukehren.

Frauen sind aktiver und aufgeschlossener als Männer

Typi­sche Wuchs­form der Mistel

Jänsch arbei­tet seit 1999 in der Hoch­schul­am­bu­lanz für Natur­heil­kun­de der Cha­ri­té. Im Gegen­satz zu Schul­me­di­zi­nern gehen natur­heil­kund­lich ori­en­tier­te Ärz­te davon aus: “Es heilt der Pati­ent, es heilt sein inne­rer Arzt”, betont Jänsch. In ihrer lang­jäh­ri­gen Pra­xis hat sie vie­le Krebs-Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen beglei­tet, doch “es sind vor allem die Frau­en, die ger­ne sel­ber etwas tun wol­len nach der Krebs­dia­gno­se”, erzählt die Ärz­tin. Frau­en suchen häu­fi­ger als Män­ner nach Alter­na­ti­ven zur schul­me­di­zi­ni­schen Behand­lung und wen­den sich dann inte­gra­ti­ven onko­lo­gi­schen Maß­nah­men zu.“Integrative Tumor­t­he­ra­pien ver­bin­den die kon­ven­tio­nel­len schul­me­di­zi­ni­schen Behand­lungs­an­sät­ze (Ope­ra­ti­on, Che­mo­the­ra­pie, Bestrah­lung, Hor­mon­the­ra­pie) mit ganz­heit­li­chen The­ra­pie­an­sät­zen”, erklärt Jänsch. Zu den ganz­heit­li­chen, bezie­hungs­wei­se natur­heil­kund­li­chen Metho­den gehö­ren zum Bei­spiel Phy­to­the­ra­pie (Pflanzenheilkunde=Einsatz arz­nei­li­cher Heil­pflan­zen), Hydro­the­ra­pie (nach Kneipp=Wickel, Güs­se, Auf­la­gen, Ein­rei­bun­gen, Bäder), anti­oxi­da­tive The­ra­pien (Vit­ami­ne, Spu­ren­ele­men­te) oder Ord­nungs- (sie­he Kas­ten) oder Regu­la­ti­ons­the­ra­pien. In klä­ren­den Arzt-Pati­en­ten-Gesprä­chen wer­den unter Berück­sich­ti­gung der Mög­lich­kei­ten und Vor­lie­ben der Pati­en­ten ent­spre­chen­de The­ra­pien aus­ge­sucht und ange­wandt. Auch wer­den z.B. dabei die bis­he­ri­gen Ver­hal­tens- und Lebens­wei­sen der Pati­en­tin­nen über­prüft. Sie kön­nen anschlie­ßen ler­nen, wie sie sich gesund zu ernäh­ren (Ernäh­rungs­kur­se) oder mit kör­per­lich-geis­ti­gem Stress bes­ser umge­hen kön­nen (Erler­nen von Medi­ta­ti­on, Yoga, Acht­sam­keit, Mus­kel­re­la­xa­ti­on nach Jakobson bei­spiels­wei­se). Wich­tig ist auch regel­mä­ßi­ger Sport oder mehr Bewe­gung in das Leben zu inte­grie­ren. Dazu wäh­len sich die Pati­en­ten Sport­ar­ten aus, die ihnen Freu­de berei­ten, damit sie ihren Sport lang­fris­tig durch­zu­füh­ren kön­nen – und dabei nicht die Lust ver­lie­ren. Das Ange­bot der natur­heil­kund­lich arbei­ten­den Kli­ni­ken oder ambu­lan­ten Pra­xen ist außer­or­dent­lich viel­fäl­tig, so dass Betrof­fe­ne leicht etwas Heil­sa­mes, Hilf­rei­ches und Unter­stüt­zen­des für sich fin­den können.

Ordnungstherapie:

Eine all­ge­mei­ne Defi­ni­ti­on der Ord­nungs­the­ra­pie besteht nicht. Im “Hand­buch der Natur­heil­kun­de” (Schmie­del) heißt es: Die Ord­nungs­the­ra­pie ist “ein über­ge­ord­ne­tes Prin­zip aller Natur­heil­ver­fah­ren. Jede natur­heil­kund­li­che Behand­lung ver­sucht, die gestör­te Ord­nung im Orga­nis­mus wie­der­her­zu­stel­len (Krank­heit, Funk­ti­ons­stö­run­gen sind Stö­run­gen).” Seit Hip­po­kra­tes gibt es Ärz­te und auch zahl­rei­che Lebens­re­for­mer, die Emp­feh­lun­gen für ein gesun­des, lan­ges Leben auf­ge­stellt haben. Dazu gehört bei­spiels­wei­se nach Pha­sen der Arbeit oder Akti­vi­tät ent­spre­chen­de Ruhe­pha­sen ein­zu­hal­ten (genü­gend Schlaf und Pau­sen), mäßig und gesund zu essen, Genuss­mit­tel (Zucker, Ziga­ret­ten, Alko­hol) sel­ten zu sich zu neh­men und sich genü­gend zu bewe­gen. Bei Krank­heit oder funk­tio­nel­len Stö­run­gen ver­su­chen natur­heil­kund­li­che Ver­fah­ren also die “Ord­nung wie­der her­zu­stel­len”. Dabei fin­det nicht nur die per­sön­li­che Ebe­ne (Fehl­ernäh­rung, Bewe­gungs­man­gel, zu vie­le Genuss­mit­tel) Berück­sich­ti­gung, son­dern auch das nähe­re Umfeld (fami­liä­re Kon­flik­te, Stress am Arbeits­platz, loka­le Umwelt­be­las­tun­gen) oder über­ge­ord­ne­te sozia­le Sys­te­me (Anse­hen des Berufs­stan­des, glo­ba­le Umwelt­ver­schmut­zung). Ent­spre­chend der theo­re­ti­schen Ansät­ze der jewei­li­gen natur­heil­kund­li­chen Ver­fah­ren wer­den Maß­nah­men (Aus­lei­tung, medi­ka­men­tö­se oder rei­zen­de The­ra­pien) durch­ge­führt, um letzt­end­lich und bes­ten­falls wie­der zur Gesund­heit oder im wei­te­ren Sin­ne wie­der zur natür­li­chen Ord­nung des Orga­nis­mus zurückzufinden.

Die Misteltherapie

Von der Mis­tel­the­ra­pie als kom­ple­men­tä­re, onko­lo­gi­sche Maß­nah­me zeigt sich Jänsch über­zeugt. Denn in ihrem Kli­nik­all­tag konn­te sie bei vie­len Pati­en­tin­nen ver­schie­de­ne posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen mit­er­le­ben. Das Wich­tigs­te sei für sie dabei gewe­sen zu beob­ach­ten, wie “durch die Mis­tel­the­ra­pie die Frau­en wie­der zurück zu ihrem Lebens­mut und ihrer Kraft fin­den”, so Jänsch. Die Mis­tel­the­ra­pie hat ver­schie­de­ne Ein­satz­mög­lich­kei­ten: So wird sie ein­ge­setz­tA) inner­halb eines medi­ka­men­tö­sen Gesamt­kon­zepts bei inope­ra­blen oder metasta­sie­ren­den Tumo­ren (Ziel: Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät, Tumorhemmung),

B) als Begleit­be­hand­lung wäh­rend der Che­mo­the­ra­pie oder Bestrah­lung (Ziel: Bes­se­re Ver­träg­lich­keit der onko­lo­gi­schen The­ra­pien, Immunprotektion),

C) nach den schul­me­di­zi­ni­schen, onko­lo­gi­schen The­ra­pien (Chemo‑, Strah­len­the­ra­pie), um das chro­ni­sche Erschöp­fungs­syn­drom (Fatique) zu ver­bes­sern, und eine Immun­mo­du­la­ti­on und Pro­gno­se­ver­bes­se­rung zu erreichen.

Zuletzt weist die Ärz­tin noch auf eine Beson­der­heit der Mis­tel­the­ra­pie hin: “Jede Pati­en­tin oder jeder Pati­ent bekommt eine indi­vi­du­ell ein­ge­stell­te Mis­tel­the­ra­pie”, so Jänsch.

Weitere Informationen, Rat und Hilfe bieten an:

Arbeits­ge­mein­schaft Ganz­heit­li­che Krebs- und Immuntherapie

Infor­ma­tio­nen für Ärzte

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