Fasten

Fas­ten kann wie ein Haus­putz wir­ken – sowohl kör­per­lich, see­lisch und geis­tig. Seit Jahr­tau­sen­den wird der frei­wil­li­ge Nah­rungs­ver­zicht aus reli­giö­sen, spi­ri­tu­el­len wie auch gesund­heit­li­chen Grün­den praktiziert.

Fas­ten ist eine beson­de­re Erfah­rung: Man­chen Men­schen fällt der frei­wil­li­ge Nah­rungs­ver­zicht leicht, ande­re tun sich schwer damit. Selbst jene, die regel­mäs­sig fas­ten, kön­nen bei jedem Mal unter­schied­lichs­te Erleb­nis­se haben. Doch ganz gleich ob jemand viel, wenig oder gar kei­ne Erfah­run­gen hat – in den ers­ten Tagen des Fas­tens dreht sich alles um das Essen. Der Hun­ger, der sich meis­tens schon am ers­ten Tag ein­stellt, lässt Bil­der der köst­lichs­ten Spei­sen einer Fata Mor­ga­na gleich vor dem inne­ren Auge vor­über­zie­hen. Wenig hilf­reich ist auch, dass die Nase viel emp­find­li­cher reagiert und den Duft vom Essen beson­ders wahr­nimmt. Dann fällt einem auf, wie häu­fig im All­tag Beschaf­fung, Zube­rei­tung, Ver­dau­en von Nah­rung im Vor­der­grund ste­hen. Wie gut, dass Fas­ten­de zudem noch mit kör­per­li­chen, see­li­schen Reak­tio­nen beschäf­tigt sind oder mit den nöti­gen Hand­lun­gen rund um das Fas­ten (Ein­lauf, Trin­ken, Bewe­gung). Nach eini­gen Tagen jedoch kann Hun­ger auf­hö­ren. Der Kör­per folgt einem ande­ren Rhyth­mus. Dies bewirkt bei man­chen Fas­ten­den, dass sie Schlaf nach­ho­len oder sich aus­ru­hen. Ande­re wie­der­um füh­len sich vom all­täg­li­chen Bal­last befreit und sind akti­ver als sonst. Eine Gemein­sam­keit vie­ler Fas­ten­den ist: Der Kopf ist irgend­wann rich­tig frei.

Gott und sich selbst näher

Fas­ten­de kön­nen dann eine neu gewon­ne­nen Frei­heit auf see­lisch geis­ti­ger, wie auch auf kör­per­li­cher Ebe­ne emp­fin­den. Es wird seit Jahr­tau­sen­den als Übung zur Ent­halt­sam­keit, Hilfs­mit­tel zum Bezug auf das eige­ne Selbst, Weg zur Eksta­se oder als Teil ritu­el­ler oder vor­be­rei­ten­der hei­len­der Rei­ni­gun­gen durch­ge­führt. Im alten Ägyp­ten bei­spiels­wei­se durf­ten Pries­ter erst nach län­ge­rem Fas­ten mit der Göt­tin Isis in Kon­takt tre­ten. In der Anti­ke berei­te­ten sich Kran­ke vor dem Besuch des Askle­pi­os-Tem­pels fas­tend auf geplan­te Heil­be­hand­lun­gen vor. Mus­li­me, Bud­dhis­ten und Chris­ten üben seit jeher frei­wil­li­gen Nah­rungs­ver­zicht. Die stren­gen (klös­ter­li­chen) Fas­ten­re­geln bei­spiels­wei­se des Mit­tel­al­ters jedoch, wie drei Bis­sen Brot und ein paar Schlu­cken Was­ser pro Tag, sind nicht mehr gebräuch­lich. Das moder­ne Fas­ten ist wei­ter­ge­fasst: Damit kann der Ver­zicht auf Essen, Ziga­ret­ten oder ande­re lieb gewor­de­ne Gewohn­hei­ten wie auch das Fern­se­hen sein. In der römisch-katho­li­schen Lit­ur­gie gehört 40tägiges Fas­ten zur Vor­be­rei­tung auf die Oster­fei­er, um des Lei­dens­we­ges Jesu Chris­ti zu geden­ken. Gläu­bi­ge fas­ten heu­te frei­wil­lig im Rah­men eige­ner Mög­lich­kei­ten: Sie nut­zen es, um sich selbst und den eige­nen Zie­len näher zu kom­men. Oder wie Schwes­ter Hele­na vom Orden “Kar­mel Maria vom Frie­den”, Köln, for­mu­liert: Fas­ten kann hel­fen, “Gott die Tür zu öff­nen und sich bewusst machen, dass Er mit uns geht”.

Heilsame Körperumstellung

In vie­len Kul­tu­ren gehört Fas­ten zu einer “Ent­gif­tungs­maß­nah­me”. Indisch-ayur­ve­di­sche oder auch euro­päi­sche natur­heil­kund­lich ori­en­tier­te Medi­zi­ner erach­ten jedoch nicht das Hun­gern als wich­tig, son­dern dass der Kör­per gezwun­gen wird, von sei­nen eige­nen Reser­ven zu leben. Ger­ne wird dar­auf ver­wie­sen, dass der Kör­per in die­ser Zeit ange­sam­mel­te Abfall­stof­fe “ent­sorgt”. Oder den Orga­nen die Gele­gen­heit gege­ben wird, sich zu rege­ne­rie­ren, um anschlie­ßend wie­der bes­ser zu funk­tio­nie­ren. Tat­säch­lich ent­steht der Ein­druck des Ent­schla­ckens: Beson­ders in den ers­ten Tagen des Fas­tens kann es zu Unwohl­sein, ein Gefühl der Kraft­lo­sig­keit oder Gelenk­be­schwer­den kom­men. Die­se Befind­lich­kei­ten sind Aus­druck ver­schie­de­ner Fas­ten-Pha­sen: Zunächst bezieht der Kör­per sei­nen Ener­gie­be­darf aus dem Muskel‑, danach aus dem Fett­ge­we­be. Dabei arbei­ten die Aus­schei­dungs­or­ga­ne auf Hoch­tou­ren. Es kann zu Haut­aus­schlä­gen, übel­rie­chen­dem Schweiß oder Stuhl kom­men. Unter­su­chun­gen haben erge­ben, dass die Umstel­lun­gen des Ener­gie­stoff­wech­sels bei Gesun­den deut­li­che Absen­kun­gen von Blut­zu­cker- und Cho­le­ste­rin­wer­te bewir­ken. Auch mäßig erhöh­te Leber­wer­te als Anzei­chen einer Leber­be­las­tung sin­ken ab (wenn kein wei­te­rer Alko­hol getrun­ken wird!). Ande­re Funk­tio­nen, die anders als sonst arbei­ten: Der Was­ser­haus­halt stellt sich um, die Urin­aus­schei­dung ist gestei­gert, Natri­um und Was­ser wer­den ver­mehrt aus dem Bin­de­ge­we­be aus­ge­schie­den. Mess­ba­re Fol­ge: Deut­li­cher Gewichts­ver­lust. Außer­dem mess­bar sind eine Nor­ma­li­sie­rung erhöh­ter Puls­fre­quen­zen oder Ver­rin­ge­rung erhöh­ten Blut­dru­ckes. Wei­te­re Unter­su­chun­gen haben zudem gezeigt, dass Fas­ten auch anti­ent­zünd­li­che, cor­ti­son­ähn­li­che Wir­kung bei aku­ten und chro­nisch ent­zünd­li­chen Erkran­kun­gen, bei­spiels­wei­se rheu­ma­to­ide Arthri­tis haben. Und nicht zuletzt wirkt sich der Gewichts­ver­lust posi­tiv ent­las­tend auf Gelen­ke und Wir­bel­säu­le aus. Bei letz­te­ren Indi­ka­tio­nen und auch chro­ni­schen Erkran­kun­gen wird Heil­fas­ten spe­zi­el­len Kli­ni­ken empfohlen.

Kliniken:

Spe­zi­el­le Kli­ni­ken bie­ten Fas­ten unter ärzt­li­cher Betreu­ung an. Dazu gehört plan­vol­le Heil­be­hand­lung, die in einem fes­ten Zeit­raum durch­ge­führt wird. Fas­ten­de erhal­ten ärzt­li­che (Dia­gnos­tik, Ver­laufs­be­ob­ach­tung durch Labor­un­ter­su­chun­gen), pfle­ge­ri­sche (Bereit­schaft für Kri­sen­si­tua­tio­nen) und psy­cho­lo­gi­sche Unter­stüt­zung, damit der durch­zu­füh­ren­de Behand­lungs­plan zum Erfolg füh­ren kann.

Krank­hei­ten, bei denen kli­ni­sches Fas­ten indi­ziert sein kann: Erkran­kun­gen mit gestör­tem Stoff­wech­sel wie Hyper­cho­le­ste­rin­ämie oder Hepa­topa­thien las­sen sich durch Heil­fas­ten güns­tig beein­flus­sen. Bei chro­ni­schen Erkran­kun­gen wie Neu­ro­der­mi­tis oder Rheu­ma kön­nen zum Teil her­vor­ra­gen­de Ver­bes­se­run­gen erreicht wer­den. Emp­feh­lun­gen gibt es auch für venö­sen und arte­ri­el­len Durch­blu­tungs­stö­run­gen, all­er­gi­sche Krank­hei­ten von Haut und Schleim­häu­ten, chro­ni­scher Hepa­ti­tis, Adi­po­si­tas und Erwach­­se­­nen-Zucker­­kran­k­heit (Dia­be­tes mel­li­tus Typ II).

Die tra­di­tio­nel­le Zeit des Fas­tens ist das Früh­jahr. Wenn die Natur erwacht, neh­men Men­schen ger­ne die Gele­gen­heit wahr, für ein bis zwei Wochen zu fas­ten. Wer gesund ist, kann selbst­stän­dig fas­ten. Wich­tig ist, sich mit dem The­ma vor­her ein­ge­hend aus­ein­an­der­set­zen. Hilf­reich kön­nen Bücher sein, die Emp­feh­lun­gen oder sogar Fas­ten-Tages­plä­ne her­aus­ge­ben. Eigen­stän­di­ges Fas­ten erfor­dert am bes­ten eine Aus­zeit und eine gewis­se Dis­zi­plin: Nicht nur, um die Hun­ger­pha­se zu über­ste­hen, son­dern um unter­stüt­zen­de Behand­lun­gen durch­zu­füh­ren. Begon­nen wird mit einem “Ent­las­tungs­tag”, mit außchliess­li­chem Essen von Obst. An die­sem Tag wird auch ent­we­der eine Glau­ber­salz-Lösung getrun­ken oder alter­na­tiv eine Darm­rei­ni­gung in Form eines Ein­laufs durch­ge­führt. Die­se Maß­nah­men erleich­tern dem Kör­per die bevor­ste­hen­de Umstel­lung: Sie hel­fen, um mög­li­che Unpäss­lich­kei­ten wie Bauch- oder Kopf­schmer­zen auf­zu­fan­gen. Oder sie wir­ken ablen­kend und im psy­cho­lo­gi­schen Sin­ne unter­stüt­zend. “Sich etwas Gutes tun” kann auch see­li­sche Ver­stim­mun­gen auf­fan­gen. Ein guter Rat ist, sich Zeit zu neh­men, um mög­li­che Müdig­keits- oder Schwä­che­an­fäl­le mit Ruhe und Schlaf bewäl­ti­gen zu kön­nen. Die Meis­ten sind mit den Fas­ten­re­ak­tio­nen, sport­li­chen Akti­vi­tä­ten, der Pfle­ge des Kör­pers so beschäf­tigt, dass die Fas­ten­ta­ge schnell vor­über­ge­hen. Zuletzt kommt das soge­nann­te Fas­ten­bre­chen. Damit ist ein lang­sa­mer Kost­auf­bau gemeint. Er soll­te plan­voll und dis­zi­pli­niert vor­ge­nom­men wer­den. Denn wer dem Heiss­hun­ger nach­gibt, kann von bösen Bauch­schmer­zen oder Übel­keit über­rascht wer­den. Der Darm braucht näm­lich sei­ne Zeit, sich wie­der umzu­ge­wöh­nen. Zudem wäre eine Initi­al­zün­dung zu denk­ba­ren Ver­än­de­run­gen ver­schenkt: Vie­le Men­schen betrach­ten das Fas­ten als “inne­ren Haus­putz”. Sie füh­len sich danach wie neu gebo­ren oder haben neue Kräf­te geschöpft. Ande­re sehen die Mög­lich­keit, ihre Ernäh­rung umzu­stel­len oder neu gewon­ne­ne Erkennt­nis­se wie mehr Sport trei­ben oder sich klei­ne Aus­zei­ten kön­nen in den All­tag zu integrieren.

Unfreiwilliges Fasten

Bei aku­ten Erkran­kun­gen essen Kran­ke oft nicht. Sie haben kei­nen Hun­ger oder emp­fin­den Unwil­len gegen jeg­li­ches Essen. Die­se Nah­rungs­ver­wei­ge­rung ist Teil eines kör­per­ei­ge­nen Hei­lungs­pro­gramms: Durch den Weg­fall der Ver­dau­ungs­auf­ga­ben kann der Kör­per Kräf­te zur Bekämp­fung von Erre­gern mobi­li­sie­ren. Ist die Krank­heit besiegt, stellt sich der Hun­ger ganz von selbst wie­der ein.

“Ent­schla­ckung”, “Ent­gif­tung” kann im über­ge­ord­ne­ten Sin­ne ver­stan­den wer­den. Ein gesun­der Kör­per sam­melt nichts Schäd­li­ches an. Um zu über­le­ben, muss der Orga­nis­mus zu jeder Zeit dafür sor­gen, dass Erre­ger, Fremd­stof­fe oder Gif­te sofort über Nie­ren, Leber, Darm oder Haut ent­fernt wer­den. Aller­dings kann die kör­per­ei­ge­ne Abwehr bei­spiels­wei­se durch inne­re (Stress, Rau­chen) oder äuße­re (Umwelt) Ein­flüs­se geschwächt wer­den. Das Fas­ten kann hel­fen, den Orga­nis­mus zu sei­nen ursprüng­li­chen Auf­ga­ben zurück­zu­füh­ren und damit zu einer Stär­kung des Immun­sys­tems beitragen.

Hinweise

  • nur Gesun­de, Erfah­re­ne soll­ten sich das Fas­ten wäh­rend des Berufs­all­tags zumuten
  • Fas­ten ist nichts für nerv­lich oder kör­per­lich Über­for­der­te, schlecht ernähr­te, stark erschöpf­te oder Men­schen, die lan­ge Krank­heits­pha­sen oder schwe­re Ope­ra­tio­nen hin­ter sich haben
  • Fas­ten kann in einer Grup­pe leich­ter sein. Die Ange­bo­te sind vari­an­ten­reich. Bei­spie­le: Fas­ten in schö­ner Umge­bung mit sport­li­cher Betä­ti­gung (Wan­dern, Schwim­men) oder Malen, Medi­tie­ren. Vor­teil: Erfah­re­ne Grup­pen-Lei­ter geben die Abläu­fe vor und wir­ken unter­stüt­zend. Tipps und Rat­schlä­ge – auch der ande­ren Grup­pen­mit­glie­der – kön­nen Unsi­cher­hei­ten besei­ti­gen oder ein­fach zum Durch­hal­ten motivieren.

Fasten-Arten

nach Dr. Otto Buch­in­ger: Zufuhr von Vit­ami­nen, Mine­ra­li­en und weni­gen Kalo­rien durch Gemü­se­brü­he und/​oder Säf­te erlaubt. Ein­läu­fe zur Darmreinigung.

nach Franz-Xaver Mayr: Zwei mal täg­lich alt­ba­cke­ne Bröt­chen mit etwas Milch erlaubt.

Saft-Fas­ten: Obst- und Gemü­se­säf­te erlaubt.

Tee-Fas­ten: Ver­schie­de­ne Tee­sor­ten sind erlaubt.

Literatur-Klassiker

Buch­in­ger, Otto: Gesund wer­den – Gesund blei­ben. Heil­fas­ten. Bru­no Wil­kens Ver­lag. Hannover.

Lütz­ner, Hell­mut: Wie neu gebo­ren durch fas­ten. Grä­fe und Unzer. GU Rat­ge­ber. Kos­ten­freie Lie­fe­rung durch Amazon

Autorin
• Mari­on Kaden, Natür­lich (2008).
wei­te­re Infos
Früh­jahrs­putz für den Körper

Bitte Ihre Frage, Anmerkung, Kommentar im folgenden Feld eingeben