Medikamente gegen die Virusgrippe – eine Bestandsaufnahme (Teil 4 von 7)

Pandemiegefahr ist Entwicklungsschub für neue antivirale Konzepte

2006/​2007 – Häu­fig­keit von Atem­wegs­in­fek­tio­nen (Quel­le: RKI)

Lud­wig: In einem sys­te­ma­ti­schen Über­sichts­be­richt von Jef­fer­son und Kol­le­gen (Quel­le: Lan­cet 2006, 367:S‑303–313) gehen die Autoren davon aus, dass der allei­ni­ge Ein­satz von Neu­r­a­mi­ni­da­se­hem­mern in einer Pan­de­mie auf­grund der in einer sol­chen Situa­ti­on sehr viel höhe­ren Virus­last nicht aus­rei­chend ist, um eine Aus­brei­tung zu kon­trol­lie­ren. Viel­mehr könn­te eine zu opti­mis­ti­sche Ein­schät­zung der Wirk­sam­keit von Neu­r­a­mi­ni­da­se­hem­mern zu einem erhöh­ten Risi­ko­ver­hal­ten und somit sogar zu einer För­de­rung der Virus­aus­brei­tung füh­ren. Der Ein­satz von Neu­r­a­mi­ni­da­se­hem­mern wäh­rend einer Influ­en­za-Epi­de­mie ist somit nur bei zusätz­li­chen Schutz­maß­nah­men Erfolg versprechend.

Fach­leu­te sind sich daher heu­te einig, dass man drin­gend neue Anti-Grip­pe­mit­tel benö­tigt, die eine brei­te Wirk­sam­keit haben soll­ten und vor allem das Pro­blem der Resis­tenz adres­sie­ren. Lei­der wur­den die For­schung und vor allem die kli­ni­sche Ent­wick­lung in die­sem Bereich lan­ge Zeit ver­nach­läs­sigt. Dies hat nach­voll­zieh­ba­re Grün­de, da die Indi­ka­ti­on Grip­pe für ein Phar­ma­un­ter­neh­men ein schwie­ri­ger Markt ist. Für eine Berech­nung ist es schwer mög­lich, eine abs­trak­te Pan­de­mie­ge­fahr ein­zu­be­zie­hen und man kann ledig­lich mit einem sai­so­na­len Auf­tre­ten kal­ku­lie­ren, wobei die Stär­ke einer Grip­pe­wel­le nicht vor­her­seh­bar ist. Da auf die­ser Basis in der Regel nicht davon aus­zu­ge­hen ist, dass ein Grip­pe­mit­tel ein “Blockbuster”-Verkaufsschlager wird, war die phar­ma­zeu­ti­sche Indus­trie hier bis­lang eher zöger­lich. Die Ein­füh­rung von Tami­f­lu und Relen­za hat die­se Auf­fas­sung hin­sicht­lich der Ent­wick­lung von Alter­na­ti­ven eher noch bestärkt. Erst die auf­kom­men­de greif­ba­re Pan­de­mie­ge­fahr durch die H5N1-Vogel­grip­pe­vi­ren hat hier, ins­be­son­de­re auch durch die damit ver­bun­de­nen Ver­kaufs­er­fol­ge von Tami­f­lu, zu einem Umden­ken geführt, was sich aktu­ell vor allem in einer Viel­zahl von Akti­vi­tä­ten klei­ne­rer Bio­tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men bemerk­bar macht.

Neben Wei­ter­ent­wick­lun­gen von Neu­r­a­mi­ni­da­sein­hi­bi­to­ren, die aktiv gegen Tami­f­lu- und Relen­za-resis­ten­te Vari­an­ten sind, gibt es auch neue Ent­wick­lun­gen von Sub­stan­zen, die ande­re vira­le Fak­to­ren angrei­fen, wie z. B. der vira­le Poly­me­ra­sein­hi­bi­tor T705 einer japa­ni­schen Fir­ma, der vor der ers­ten kli­ni­schen Erpro­bung steht. Auch die vira­le Nukle­in­säu­re selbst ist Ziel von anti­vi­ra­len Stra­te­gien, z. B. durch geziel­ten Abbau der RNA mit Hil­fe klei­ner inter­fe­rie­ren­der RNA Moleküle.

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Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2008).

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