Bananereiferei Hamburg: Alles genauestens geregelt

“Die Bana­ne war noch in den 50iger Jah­ren eine exo­ti­sche Frucht”, sagt Ralph Fischer, Mar­ke­ting-Lei­ter der Inter, Wei­chert & Co KG, Frucht­im­port Ham­burg, “das ist aber heu­te längst nicht mehr so. Statt des­sen wird sie zu den Früch­ten gerech­net, die immer zu haben sind”. Etwa 50 Bana­nen­rei­fe­rei­en in Euro­pa sor­gen mit hohem logis­ti­schen Auf­wand für die Befrie­di­gung der Nach­fra­ge in Euro­pa. Wenn die gelb­li­che Krumm­frucht auf dem Laden­tisch liegt, hat sie eine vier­wö­chi­ge Rei­se hin­ter sich. Sie wur­de in die­ser Zeit min­des­tens genau­so sorg­sam, umsich­tig und vor­sich­tig behan­delt wie Eier. Denn: Die Bana­ne die äußerst sen­si­ble Frucht.

Hightech für die empfindliche Ware

Dass Bana­nen auf fast allen Fruch­the­ken aus­lie­gen, ist für die meis­ten Ver­brau­cher selbst­ver­ständ­lich gewor­den. Doch hin­ter dem ganz­jäh­ri­gen Ange­bot steckt viel Arbeit, Tech­no­lo­gie und Logis­tik. Die Anla­gen wur­den für die Bana­nen­rei­fe­rei­en erst­mals in den 50iger Jah­ren ent­wi­ckelt. Frucht­im­por­teu­re sahen sich damals nach Nischen um. So auch “Inter”, ein inter­na­tio­nal arbei­ten­der Frucht­im­por­teur mit Sitz am Ham­bur­ger Groß­markt. Das Unter­neh­men hat sich auf exo­ti­sche Früch­te und Bana­nen spe­zia­li­siert. Bei der emp­find­li­chen und leicht ver­derb­li­chen Ware ist Zeit ein bedeu­ten­der Fak­tor. Und so sind die kur­zen Wege zum Ham­bur­ger Hafen für das Unter­neh­men wich­tig. Jede Woche tref­fen Schiffs­la­dun­gen mit Früch­ten ein. Wäh­rend exo­ti­sche Früch­te wie Chayo­te, Curu­ba, Jack­frucht, Karam­bo­le meist nur zwi­schen­ge­la­gert wer­den, müs­sen Bana­nen trotz tech­ni­scher Ent­wick­lun­gen wei­ter­hin in Euro­pa gereift werden.

Alles geregelt

Ralph Fischer (links) bei der Bananenprüfung

Doch bevor es zur Rei­fung kommt, wird in den Anbau­län­dern eine hoch­spe­zia­li­sier­te und auch indus­tria­li­sier­te Arbeit geleis­tet. Die Bana­ne ist näm­lich längst nicht mehr nur eine Frucht. “Böse Zun­gen behaup­ten zwar, dass sogar der Krüm­mungs­fak­tor der Bana­ne fest­ge­legt ist. Doch das ist nicht der Fall”, sagt Fischer. Den­noch: Die Bana­ne unter­liegt zahl­rei­chen gesetz­li­chen Bestim­mun­gen, die Anbau, Trans­port­be­din­gun­gen, Grö­ße und Aus­se­hen fest­le­gen. Bana­nen für die Han­dels­klas­se 1 (EU-Norm, höchs­te Han­dels­klas­se) müs­sen bei­spiels­wei­se eine Min­dest­län­ge von 20 cm haben. Damit Ver­brau­chern eine gleich­blei­ben­de Qua­li­tät gelie­fert wer­den kann, gibt es wenig Spiel­raum für die Erzeu­ger. Die Bana­nen (Musa x para­di­sia­ca) wer­den meis­tens groß­flä­chig in Mono­kul­tu­ren ange­baut. Sie ver­meh­ren sich vege­ta­tiv, im Fall der Bana­ne über unter­ir­di­sche Rhi­zo­me. “Eine Pflan­ze benö­tigt vom ers­ten Spross bis zur Ern­te vier­zehn Mona­te”, erzählt Fischer. Bei der Ern­te wird die soge­nann­te Mut­ter­pflan­ze abge­schla­gen. Somit wird Platz für die Toch­ter bzw. nächs­te Gene­ra­ti­on geschaf­fen. Die geern­te­ten Bana­nen­bü­schel (35 – 50 kg) wer­den in soge­nann­ten Pack­sta­tio­nen in gro­ße Haken ein­ge­hängt und aus­ein­an­der­ge­schnit­ten. “Ein Büschel hat vie­le Hän­de. So bezeich­nen wir die klei­ne­ren Bana­nen­grup­pie­run­gen, die Ver­äs­te­lun­gen. Auch die Hän­de wer­den wei­ter bis hin zu den Clus­tern zer­teilt. Das sind die im Han­del erhält­li­chen Bana­nen­grup­pen von 4 – 7 Fin­gern”, sagt Fischer. Gleich nach dem Zer­schnei­den wer­den die Clus­ter an den Schnitt­stel­len bzw. obe­ren Kro­nen mit dem Anti­pilz­mit­tel Thiaben­d­azol ver­sie­gelt. Außer­dem wird so der Wund­ver­schluss geför­dert, und damit das Aus­lau­fen von Latex, sowie die Wei­ter­rei­fung ver­hin­dert. “Der Frucht­saft wür­de auch über die Scha­le lau­fen und spä­ter unschö­ne, brau­ne Strei­fen bil­den”, so Fischer. Die vor­be­rei­te­ten Clus­ter kom­men anschlie­ßend in ein Was­ser­bad, um Staub und Insek­ten zu ent­fer­nen. “Es han­delt sich tat­säch­lich nur um ein Was­ser­bad ohne jede che­mi­sche Zusät­ze”, betont Fischer. Danach wer­den die Bana­nen in Kar­tons, die mit Luft­lö­chern ver­se­hen sind, ver­packt und auf 14° Cel­si­us her­un­ter­ge­kühlt. “Wir nen­nen es ‘schla­fen legen’”, sagt Fischer. Danach erfolgt die Ver­schif­fung der Kar­tons. “Eine kon­stan­te Tem­pe­ra­tur­ein­hal­tung und ein spe­zi­el­les Luft­ge­misch in den Fracht­räu­men muss wäh­rend der Fahrt gewähr­leis­tet sein. Alles wird durch Com­pu­ter regu­liert und auf­ge­zeich­net”, so Fischer. “Kommt es zu Unter­küh­lun­gen, wird die Fracht für uns unbrauch­bar”. Denn jeder Unter­küh­lungs­grad (beginnt schon bei 13° Cel­si­us) zeigt sich bei der anschlie­ßen­den Rei­fung durch uner­wünsch­te Farb­schat­tie­run­gen: “Je unter­kühl­ter die Bana­nen, des­to grau­er wer­den sie”, erklärt Fischer.

Bota­ni­sches

Bana­nen (Musa) gehö­ren zur Fami­lie der Bana­nen­ge­wäch­se (Mus­cae­ae) und stam­men ursprüng­lich aus dem indo­ma­­lai­isch-aus­­­tra­­li­­schen Raum. Die Bana­ne gelang­te im 16. Jahr­hun­dert von den kana­ri­schen Inseln aus in die Kari­bik, Mit­tel­ame­ri­ka und nach Peru (1535). Heu­te gibt es welt­weit etwa 220 Arten. Die kul­ti­vier­ten Rie­sen­stau­den wach­sen in tro­pi­schen oder sub­tro­pi­schen Län­dern mit feucht-heis­­sem Kli­ma. Die ein­keim­blätt­ri­ge (mono­ko­tyle) Pflan­ze bil­det kein Holz, son­dern star­ke Fasern. Sie wird fünf bis neun Meter hoch und besteht aus spi­ra­lig zusam­men­ge­leg­ten unte­ren Blät­tern – ähn­lich einer geroll­ten Zigar­re. Sie umschlie­ßen sich gegen­sei­tig und bil­den einen Schein­stamm. Im obe­ren Bereich ent­fal­ten sich die Blät­ter groß, zart-grün und palm­ar­tig zu einem Schopf. Der Pflan­­zen-Spross ent­wi­ckelt sich aus einem knol­li­gen Rhi­zom. Aus die­sem ent­wi­ckeln sich die wei­te­ren Able­ger und auch der Blü­ten­stand, der in den Schopf hin­ein­wächst. Der Blü­ten­stand ist rie­sen­groß und hängt wegen sei­nes Gewichts her­ab. Aus den Blü­ten ent­ste­hen ohne Bestäu­bung die Früch­te. Nicht alle Bana­­nen-Arten bil­den Früchte.

Die Reifung

Bana­nen­rei­fe­rei­meis­ter: Stef­fen Seidel

Nach Anlan­dung der Fracht, über­nimmt Bana­nen­rei­fe­meis­ter Stef­fen Sei­del sei­ne Arbeit: Er kon­trol­liert die Com­pu­ter-Auf­zeich­nun­gen des Fracht­schiffs und öff­net schon am Kai eini­ge Bana­nen-Kar­tons, um sich einen Über­blick über den Zustand der Ware zu ver­schaf­fen. In den Lager­räu­men des Unter­neh­mens über­prüft Sei­del die Ladung dann genau: Zum Bei­spiel misst er pro­be­wei­se die Pulp-Tem­pe­ra­tur eini­ger Bana­nen, indem er einen Füh­ler in die Frucht steckt. Die idea­le Tem­pe­ra­tur liegt auch hier bei 14° Cel­si­us. Dann zer­schnei­det er eini­ge Bana­nen und drückt die Schnitt­stel­len zusam­men. “Ent­wi­ckeln sich Zieh­fä­den, ist die Bana­ne vital und frisch”, erklärt Sei­del. Die Kar­tons wer­den in con­tai­ner­ar­ti­ge Kam­mern ver­la­den, die Rei­fung wird ein­ge­lei­tet: “Rei­fung bedeu­tet die Umwand­lung der Bana­nen­stär­ke in Zucker. Die­se dau­ert die nächs­ten 72 Stun­den und darf nicht unter­bro­chen wer­den”, so Sei­del. Am Anfang des Pro­zes­ses wird hoch­ver­dünn­tes Rei­fe­gas (Ethy­len, in der Medi­zin auch zur Nar­ko­se genutzt) in die Kam­mern gebla­sen. Ethy­len ist ein pflanz­li­ches Hor­mon, das neben vie­len ande­ren Eigen­schaf­ten auch die Rei­fung und Zucker­aus­bil­dung von Früch­ten in Gang setzt. Nach der initia­len Ethy­len-Zufuhr begin­nen die Früch­te dann das Phy­to­hor­mon selbst zu bil­den. “Die Tem­pe­ra­tur wird lang­sam und gleich­blei­bend ange­ho­ben. Schwan­kun­gen soll­ten nicht vor­kom­men, denn sie könn­ten uner­wünsch­te Fol­gen haben. Bei­spiels­wei­se wür­den die Bana­nen ungleich­mä­ßig rei­fen. So könn­ten sie ver­ein­zelt zu schnell rei­fen oder plat­zen. Da der Han­del jedoch nur Ware abnimmt, die eine gleich­blei­ben­de Qua­li­tät, Far­be und Rei­fe­grad hat, dür­fen sol­che Unre­gel­mä­ßig­kei­ten nicht vor­kom­men. Der Han­del nimmt meis­tens Bana­nen mit dem Rei­fe­grad vier bis fünf ab, d.h. die Bana­nen sind gelb und haben grü­ne Spit­zen. Die wei­te­re Rei­fung der Bana­nen fin­det übri­gens in den Geschäf­ten selbst statt: Lagern sie dort meh­re­re Tage, errei­chen sie eine gold­gel­be Far­be mit bräun­li­chen Punk­ten. Dies sind soge­nann­te Zucker­punk­te – das Kenn­zei­chen für eine süße, durch­ge­reif­te Frucht. “Die­se Frucht soll­te sofort ver­zehrt oder zube­rei­tet wer­den. Sie hat ihre Rei­fung voll­endet und ent­fal­tet ihr vol­les Aro­ma und ist eine per­fek­te Des­sert­ba­na­ne”, sagt Seidel.

Grundnahrungsmittel Banane

Gute Qua­li­tät: Eine vita­le Banane

In den tro­pi­schen Bana­nen-Her­kunfts­län­dern wer­den etwa 90 Mio. Ton­nen (Koch-) Bana­nen jähr­lich pro­du­ziert und vor Ort als Grund­nah­rungs­mit­tel ver­braucht. Der Nähr­wert einer Bana­ne ent­spricht der einer Kar­tof­fel (über 20% Koh­le­hy­dra­te, 1,2% Pro­te­ine, Vit­ami­ne, Mine­ral- und Bal­last­stof­fe). Die Koch­ba­na­ne (Musa para­di­sa nor­ma­lis) wan­delt im Gegen­satz zur Obst­ba­na­ne ihre Stär­ke nicht in Zucker um, des­halb wird sie ähn­lich der Kar­tof­fel zube­rei­tet – also gekocht, geba­cken oder gegrillt. Wegen ihres Gerb­stoff­ge­hal­tes ist sie nicht wie die Obst­ba­na­ne zum Rohes­sen geeig­net. Die Bana­nen pro­du­zie­ren­den Län­der bau­en all­jähr­lich zusätz­lich etwa 10 Mil­lio­nen Ton­nen für den Export in west­li­che Län­der an. Dabei han­delt es sich aller­dings um eine ande­re Sor­te: Die Des­sert­ba­na­ne (Musa para­die­sa sapi­en­tum) der Sor­te ‚Caven­dish’.

Produktions- und Wirtschaftsfaktoren

Bana­nen gehö­ren neben Zitrus­früch­ten zu den welt­wirt­schaft­lich bedeu­tends­ten Obst­sor­ten. Seit etwa 100 Jah­ren besteht ein inter­na­tio­na­ler Bana­nen­markt. Wäh­rend in den Anfän­gen gan­ze Bana­nen­bü­schel in die west­li­chen Län­der expor­tiert wur­den, wan­del­te sich die Pro­duk­ti­on rasant: Aus­län­di­sche Inves­to­ren lie­ßen Eisen­bah­nen und Häfen bau­en, ver­än­der­ten die Infra­struk­tur der Pro­duk­ti­ons­län­der und nah­men Ein­fluss auf die Anbau- wie Arbeits­be­din­gun­gen. Rie­si­ge Mono­kul­tu­ren ent­stan­den unter der Auf­sicht mul­ti­na­tio­na­ler Kon­zer­ne, die zur Wah­rung ihrer wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen auch die Poli­tik der Bana­nen-Anbau­län­der bestimm­ten. Der nega­ti­ve Begriff ‘Bana­nen­re­pu­blik’ ent­stand und kenn­zeich­ne­te die wirt­schaft­li­che Abhän­gig­keit eines Lan­des von Süd­früch­te-Export und US-ame­ri­ka­ni­schem Kapi­tal. Beson­ders in den 70iger Jah­ren stan­den mul­ti­na­tio­na­le Kon­zer­ne wegen der men­schen­ver­ach­ten­den Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen der Bana­nen-pro­du­zie­ren­den Län­der in der Kri­tik. Auch Berich­te über Groß­ein­sät­ze von Che­mi­ka­li­en hat­ten unter ande­rem dafür gesorgt. Denn schon in den 50. Jah­ren hat­te die WHO bei­spiels­wei­se das Schäd­lings­be­kämp­fungs­mit­tel DBCB (1–2‑Dibrom-3-Chloropan) als extrem toxisch ein­ge­stuft. Selbst die bei­den Ent­de­cker des Mit­tels warn­ten vor Ste­ri­li­tät, Geburts­schä­den und Krebs. Den­noch wur­de das Mit­tel bis in die 80. Jah­re wei­ter ver­wen­det. Ein Umden­ken fand erst auf­grund des Dru­ckes von Selbst­hil­fe­or­ga­ni­sa­tio­nen und Gewerk­schaf­ten statt, die in den Anbau­län­dern ent­stan­den waren. Damit ver­än­der­ten sich lang­sam die Bedin­gun­gen dort.

Der Han­del mit Bana­nen blieb wei­ter­hin so wich­tig, dass in den 90iger Jah­ren inner­halb der Welt-Han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on (WTO) der soge­nann­te “Bana­nen­streit” ent­brann­te. Er wur­de aus­ge­löst durch die EU, die sich gegen die unbe­grenz­te Ein­fuhr von “Dol­lar­ba­na­nen” nord­ame­ri­ka­ni­scher Frucht-Kon­zer­ne zur Wehr setz­te. Sie hat­te aus­ser­dem die Ein­fuhr von Bana­nen aus Süd- und Latein­ame­ri­ka mit Men­gen­kon­tin­gen­ten beschränkt und mit wei­te­ren Zöl­len belegt. 2006 reagier­te die USA mit stra­fen­den Gegen­maß­nah­men für EU-Pro­duk­te. Und so ist die Geschich­te rund um die Bana­nen­pro­duk­ti­on mög­li­cher­wei­se eine unendliche…

Inhaltsstoffe Vergleich Banane – Kartoffel

Inhalt­stof­feBana­neKar­tof­felInhalt­stof­feBana­neKar­tof­fel
Koh­len­hy­dra­te20,8 g14,8 gCaro­tin230 μg10 μg
Bal­last­stof­fe2,0 g-Vit­amin E270 μg60 μg
Natri­um1 mg5 mgVit­amin B145 μg110 μg
Kali­um395 mg445 mgVit­amin B255 μg45 μg
Magne­si­um35 mg25 mgVit­amin B6370 μg110 μg
Cal­ci­um9 mg10 mgVit­amin C12 μg17 μg
Man­gan530 μg150 μgNico­tin­amid6501220
Eisen550 μg800 μgStär­ke2760 mg14,1 g
Kup­fer130 μg150 μgGlu­ko­se3890 mg240 mg
Fruc­to­se3710 mg170 mg

Quel­le: Der klei­ne Sou­ci-Fach­mann-Kraut, Wis­sen­schaft­li­che Ver­lags­ges., Stutt­gart, 1991

Autorin
• Mari­on Kaden, natür­lich leben (2008).
wei­te­re Infos
Bana­nen­an­bau auf Teneriffa
Bana­nen: Leicht ver­dau­lich und gesund

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